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Moorseelen

Moorseelen

Titel: Moorseelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heike Eva Schmidt
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schlaft zu sechst in Stockbetten, oder was? Also
ich
finde, man kann auch mit leckerem Essen und einem eigenen Zimmer ein guter Mensch sein. Trotz Handy, TV und Internet«, stichelte er.
    Wenn er es darauf anlegte, mich zu ärgern, hatte er sein Ziel erreicht. Gereizt funkelte ich ihn an. »Alle paar Tage wird jemand in der U-Bahn zusammengeschlagen, jede Stunde wird auf der Welt ein Mensch ermordet und alle sechs Minuten stirbt in Afrika ein Kind. Und wir kriegen die Bilder ein paar Sekunden später online oder im Fernsehen präsentiert. Dadurch stumpfst du ab und empfindest Gewalt und Ungerechtigkeit als alltäglich, statt was dagegen unternehmen zu wollen«, zitierte ich Zeno. Genau so hatte er uns das erklärt.
    Nick sah mich an, als ob mir plötzlich ein zweiter Kopf gewachsen wäre. »Mann, Mann, Feline! Du bist aber schon ordentlich gebrainwasht von den Freaks hier«, stellte er kopfschüttelnd fest. »Zum Glück versprechen sie dir nicht, dass du mit Gemüseschnippeln in den Himmel kommst, sonst könnte man die glatt für ein paar selbst ernannte Jünger halten, die uns vorm Weltuntergang retten wollen, oder so!«
    Ich starrte ihn an. »Sag mal, bist du bescheuert? Zeno versucht nur, mit ein paar Leuten anders zu leben als diese ganzen Konsumterroristen da draußen!«, gab ich heftig Kontra. Am liebsten hätte ich Nick eine der harten Rote-Bete-Knollen über seinen Dickschädel gezogen, damit er endlich begriff.
    Plötzlich fühlte ich mich beobachtet. Es war dieses kleine, unbehagliche Frösteln, das einen überläuft, wenn man ein Augenpaar in seinem Rücken fühlt. Ich konnte es schlecht beschreiben oder begründen, aber unvermittelt wusste ich, wir waren nicht mehr alleine. Ich riss den Kopf herum und blickte zur Tür. Dort stand Urs. Wie lange beobachtete er uns schon? Seinem ausdruckslosen Mondgesicht war nicht anzumerken, was er von unserem Disput mitbekommen hatte. Bewegungslos stand er im Durchgang nach draußen, ein bleicher, steinerner Wächter. Unheimlich.
    »Was willst du?«, fuhr ich ihn vor Schreck ziemlich harsch an. Offensichtlich hatten meine Worte einen Startknopf bei ihm gedrückt, jedenfalls setzte Urs sich in Bewegung. Er trug einen Korb voller Möhren vor sich her, aus dessen Geflecht krümelige Erde zu Boden rieselte.
    »Nachschub«, sagte er dumpf, ehe er seine Last absetzte. Dann wandte er sich um und stiefelte in seiner unbeholfen-schwerfälligen Art raus.
    Ich blickte ihm nach. Der Typ war mir einfach nicht geheuer. Und jedes Mal, wenn er mich ansah, wurde mir mulmig zumute. Dass er mich nicht leiden konnte, war klar. Was ich zudem in seinen Augen las, war der lauernde Ausdruck eines Hofhundes, der kuscht, solange er an der Kette liegt, aber nur auf den richtigen Moment wartet, um dem Nächstbesten an die Kehle zu springen. Das bildete ich mir jedenfalls ein.
    »Der Typ ist ja vielleicht spooky«, sagte in diesem Moment Nick – Gedankenübertragung?
    »Ach was, der ist harmlos«, murmelte ich, um Nick nicht noch mehr an die Hand zu geben, über die Oase zu lästern. So leicht ließ der sich aber nicht von mir deckeln.
    »Gestern Nacht, als die dachten, ich penne, hat er diesen Blonden mit den Rastas zur Schnecke gemacht, wieso er das Fasten abgebrochen hat«, berichtete Nick.
    Ich blickte auf. Nick konnte nur Lukas meinen. »Quatsch«, sagte ich. »Lukas hat wieder gegessen, weil er …« Hier brach ich ab. Seinen Zusammenbruch beim Kartoffelernten wollte ich Nick gegenüber nicht erwähnen, das hätte diesen nur in seiner Abneigung gegen die Oase bestärkt. »… weil ihm nicht gut war«, beendete ich den Satz stattdessen.
    »Das ist ja wohl krank genug, dass hier Leute fasten«, regte Nick sich auf. »Ich meine, was soll das denn, sind wir hier in ’nem mittelalterlichen Kloster, wo sich alle geißeln und kasteien?«
    »Das hat … Gründe«, wich ich aus. »Lukas hat mir selbst gesagt, Fasten befreit den Körper von Schlacken. Man hat also die Energie, die der Körper braucht, um Nahrung zu verdauen, zusätzlich zur Verfügung.« So, dachte ich befriedigt, das würde Klugscheißer-Nick hoffentlich den Wind aus den Segeln nehmen. Fehlanzeige. Der sah mich nur mit hochgezogenen Augenbrauen an.
    »Gesundheitliche Gründe, ja?«, fragte er leise, aber der Spott in seiner Stimme war unüberhörbar. »Ich sag dir mal, was ich gehört habe. Dieser Lukas
musste
fasten. Verordnung von ganz oben, wie es sich anhörte. Das dicke Gruselmonster von gerade hat nämlich bei dem nächtlichen

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