Moorseelen
kein Problem. Für heute kannst du mit Feline zusammen in der Küche arbeiten«, warf er Nick noch zu, ehe er sich umdrehte und ohne ein weiteres Wort davonging. Schweigend stapfte ich Richtung Gemeinschaftsküche und blickte verstohlen zu Nick, der pfeifend neben mir herschlenderte. Welches Spiel trieb er mit Zeno – und mit mir?
Kapitel 11
Kaum waren wir alleine in der großen Gemeinschaftsküche mit einem Berg an Gemüse und mehreren Tontöpfen, in denen dunkelgrünes Basilikum neben den krausen Köpfen von Petersilie wucherte, nahm ich mir Nick vor.
»Das hast du doch mit Absicht gemacht! Ich wette, deine Zündkerzen funktionieren eins a!«, raunzte ich ihn an, während ich ihm ein Wiegemesser und einen dicken Bund Basilikum hinschob. Vorsichtshalber sprach ich aber äußerst leise.
Nick hob in einer unschuldigen Geste die Hände, aber der triumphierende Ausdruck auf seinem Gesicht sagte mir, dass er die »Panne« seines Motorrollers nur inszeniert hatte.
»Und was sollte dieser Bullshit mit Facebook? Was machst du, wenn Zeno tatsächlich reinguckt?«, nahm ich ihn weiter in die Zange, obwohl ich ja wusste, wie Zenos Einstellung dazu war.
Nick zuckte die Schultern. »Falls er nachschaut, findet er einen Dominik Brandstätter, Alter: achtzehn Jahre – und ein Foto von Lucky Luke. Es ist nämlich der Account von meinem großen Bruder. Allerdings hat der seit gefühlt sechs Monaten keinen Bock mehr auf Facebook, war aber bisher zu faul, sein Profil zu löschen.« Er grinste mich an. »Fotos hat er nie eingestellt. Und Nick könnte doch ebenso gut die Abkürzung für Dominik sein, meinst du nicht?«
Wider Willen musste ich seine Cleverness bewundern, mit der er Zeno ausgetrickst hatte. Gleichzeitig wurde ich sauer, weil er sich seinen Aufenthalt hier mit einer Lüge erschlichen hatte. Genau wie ich, schoss es mir durch den Kopf. Mein gefälschter Schülerausweis war ja auch nicht gerade die ehrenwerteste Aktion gewesen. Dieser Gedanke machte mich noch wütender auf Nick. »Und deine Eltern? Was sagen die, wenn du verschwunden bist?«, provozierte ich. Selbst seine coolen Erzeuger würden sich doch Sorgen machen.
Nick feixte. »Die denken, ich bin mit meinem Kumpel beim Spontancampen auf Usedom«, erklärte er. Dass inzwischen die Schulferien begonnen hatten, war mir völlig entfallen. Aber offenbar hatte Nick sich den Plan für einen längeren Aufenthalt in der Oase schon bis ins Detail zurechtgelegt.
Jetzt hatte ich überhaupt keine Lust mehr, noch ein einziges Wort mit ihm zu wechseln. Und auch er schwieg und häckselte fröhlich drauflos. Die Kräuter dufteten nach Italien, Flanieren an der Küste, Endlosferien und Sommerglück. Einen Moment lang wurde ich traurig, als ich daran dachte, wie sehr meine Mutter italienisches Essen geliebt hatte. Gleich darauf rief ich mich innerlich zur Ordnung. Was hatte uns Zeno bei den Meditationen immer gesagt?
Lasst die Vergangenheit los. Sie ist nicht mehr wichtig, denn sie ist längst vorbei
. Also bemühte ich mich, nur an die Rote Bete zu denken, die ich hier und jetzt in Würfel schnitt. Schweigend arbeiteten Nick und ich nebeneinander. Aber natürlich konnte er nicht lange die Klappe halten, das hätte ich eigentlich wissen müssen. In der Klasse konnte er sich ja auch selten seine vorlauten Kommentare verkneifen, weshalb er bei einigen Lehrern nicht besonders hoch im Kurs stand.
»Was is ’n das hier eigentlich für ’n Verein, bei dem man erst sein Smartphone abgeben und dann stundenlang Gemüse in seine Atome zerlegen muss?«, fragte er, ohne mich anzusehen. Ich versuchte, ihm das Prinzip der Oase nahezubringen, doch Nick schnaubte nur und meinte: »Ganz schön elitär von denen, zu glauben, sie sind die besseren Menschen. Nur weil die das Grünzeug selbst anbauen und keine Handys benutzen.«
»Hier sind alle gleich. Und wir bilden uns auch nicht ein, was Besseres zu sein«, gab ich hitzig zurück und betonte das »wir«. Ich fühlte mich zur Oase zugehörig, und das sollte Nick ruhig wissen. »Aber wenn wir nicht bei uns selbst anfangen, die Welt ein bisschen besser zu machen, passiert gar nichts. Dann gibt jeder nämlich die Verantwortung ab. An den Staat oder die Schule … nur damit man in seinem eigenen kleinen bequemen Leben nichts ändern muss.« Ich war ziemlich stolz auf meine Argumente und wünschte mir nur, Zeno hätte zugehört.
Nick sah mich spöttisch an. »Ach, und deswegen ernährt ihr euch von beschissen schmeckendem Getreidekleister und
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