Mops und Möhren
einfach rübergehen, bimmeln und sagen: okay, von vorn, hallo und schön, dass du mit deiner Ex oder Neuen oder was auch immer wieder da bist.«
»Doch, genau das kannst du.«
»Nie im Leben! Nur über meine Leiche!«
»Tanja, ich verstehe, dass du angepisst bist. Ich an deiner Stelle wäre das auch. Trotzdem – gib ihm eine Chance.«
Ich schnaube und verschränke die Arme. Am liebsten würde ich wie ein trotziges Kind mit dem Fuß aufstampfen. Aber das verkneife ich mir gerade noch so.
»Wie war denn euer Abend«, sage ich, um vom Thema abzulenken.
»Du willst also vom Thema ablenken?«, sagt Chris. »Okay, von mir aus. Aber den Bericht bekommst du in der Küche. Ich glaube, drei starke Tassen Kaffee wären jetzt nicht schlecht.«
»Und Zähneputzen«, sage ich. Ohne Blend-a-med kann ich den toten Hamster nicht aus meinen Wangen fegen. Wenig später sitzen wir am Küchentisch, jeder einen Becher dampfende Koffeinbrause vor sich. Die Hunde haben sich unter dem Tisch lang gemacht.
»Wir waren nicht im Kino«, beginnt Rolf. »Wir waren in der Laube.«
»Oh là là«, sage ich und mache einen Knutschmund.
»Nein, nicht, was du denkst«, sagt Chris. »Leider … «
»Na ja, so kuschelig ist es ja auch noch nicht«, entgegne ich. Zwar haben die Jungs in der Zwischenzeit die alte Tapete abgekratzt und die blanken Bretter weiß gestrichen, die Gardinen gegen flotte Häkelvorhänge ausgetauscht und sich ein neues Bett gezimmert – das laut Rolf aussieht wie aus einem Landhaus, in meinen und Chris’ Augen aber eher einem Palettenstapel gleicht – und einige Dekoartikel untergebracht, aber von einem kuscheligen Liebesnest ist die Laube noch einige Arbeitsstunden entfernt.
»Der Ofen funktioniert immerhin«, sagt Rolf nicht ohne Stolz. »Hat nur ein bisschen Reinigung gebraucht.« Der Ofen ist in der Tat ein Schmuckstück. Nachdem Chris und ich ihn unter Einsatz sämtlicher Fingernägel vom Ruß der Jahrzehnte befreit hatten, glänzte die schwarze Bollermaschine wieder wie in ihren besten Tagen. Die Klappe für das Holz quietscht zwar immer noch, aber dafür wackelt die Platte, auf der man Wasser warmhalten kann, nicht mehr ganz so schlimm.
»Ein bisschen Reinigung ist gut«, lacht Chris. »Rolf hat ungefähr sieben alte Vogelnester aus dem Ofenrohr geholt.«
»Schürhaken sei Dank!«, sagt unser bester Handwerker und prostet mir mit seinem Kaffeebecher zu.
»Leider werden wir den Ofen verschrotten müssen. Und die Laube auch. Scheiße.« Chris wischt sich verstohlen über die Augen, aber ich sehe trotzdem, dass seine Augäpfel zu schwimmen beginnen. »Und die Blumen … die auch … «
»Was ist denn los?«
»Na, so schlimm wird es hoffentlich nicht kommen.« Rolf streichelt Chris über den Arm. Der schluckt trocken und zuckt mit den Schultern.
»Dein Wort in Gottes Ohr«, sagt er.
»Verdammt noch mal, was ist denn passiert? Hallo? Redet jemand mit mir?«
»Sorry, Tanja, ja, klar«, sagt Chris und vergräbt sich hinter einer Scheibe Toast.
»Okay, ich rede«, sagt Rolf. »Klaus Hünken war gestern da. Und dieses Mal scheinen seine Beziehungen nicht zu helfen. Besser gesagt – dieses Mal hat er keine in den besagten Kreisen.«
»Sagt mal, wollt ihr mich vereiern? Was zum Geier ist los? Könnt ihr – bitte! – Klartext reden?« Die Jungs starren sich an. Dann nickt Chris seinem Herzliebsten zu und Rolf berichtet. Er redet ohne Punkt und Komma. Und zwar so viel und so schnell, wie ich es nie zuvor von ihm gehört habe. Eine Salve von Fakten prasselt auf mich nieder, und am Ende, als Rolf außer Atem ist, mache ich mir folgendes Bild:
Die Laubenkolonie steht der Stadt im Weg. Genau da, wo meine Jungs ihr Liebesnest mit dem wahrscheinlich prächtigsten Garten – na ja, der muss noch wachsen – errichtet haben, soll eigentlich eine neue Kläranlage gebaut werden. Dass die Kolonie nicht, wie viele andere in der Republik, in einem Wasserschutzgebiet steht, hatte den Laubenpiepern in früheren Jahren Jubelschreie entlockt. Immer mehr Kleingärtner mussten landauf, landab ihre Parzellen verlassen, damit ja kein Dünger ins Grundwasser gerät. Davon war unsere Kolonie nie bedroht – und genau das wird jetzt wohl ihr Untergang.
»Scheiße«, sage ich.
»Ja, genau. Um Scheiße geht’s.« Chris schnaubt. »Meine schönen Rosen sollen einem Scheiß-Becken weichen.«
»Haben die denn keinen anderen Platz für die Kläranlage?«, frage ich.
»Keine Ahnung, das wusste Klaus auch nicht. Wenn du mich fragst:
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