MoR 01 - Die Macht und die Liebe
unter dem Arm davon. Ich konnte ihn nicht aufhalten. Irgendwo hat er mich dann wieder abgesetzt. Ich versuchte zu entkommen, und er muß mir einen Schlag versetzt haben, ich weiß es nicht. Ich kam irgendwann in einer Gasse der Subura wieder zu mir. Ich muß dort bewußtlos gelegen haben, mindestens einen Tag. Als ich mich wieder bewegen konnte, ging ich nach Hause. Das ist alles, Gaius Julius.«
»Du hast großes Glück gehabt«, sagte Caesar. »Wenn Hercules Atlas dich mit zu sich nach Hause genommen hätte, hättest du vielleicht sein Schicksal geteilt.«
»Sein Schicksal?«
»Dein Verwalter kam gestern zu mir. Nachdem er mir die ganze Geschichte erzählt hatte, ging ich mit ein paar Gladiatoren zur Wohnung von Hercules Atlas. Dort fand ich ein Bild der Verwüstung vor. Aus irgendeinem Grund hatte er alles zusammengeschlagen - sämtliche Möbel zertrümmert, mit den Fäusten große Löcher in die Wand geschlagen und die anderen Bewohner seines Mietshauses derart in Angst und Schrecken versetzt, daß sich bis dahin niemand in seine Nähe gewagt hatte. Er lag mitten Im Wohnzimmer, tot. Ich vermute, daß ein Blutgefäß in seinem Gehirn geplatzt ist und er vor Schmerzen wahnsinnig wurde. Oder jemand hat ihn vergiftet.« Ein Ausdruck des Ekels glitt über Caesars Gesicht. »Er hat beim Sterben eine fürchterliche Schweinerei angerichtet. Ich glaube, seine Diener haben ihn als erste gefunden, aber sie waren längst weg, als ich ankam. Sie haben vermutlich mitgenommen, was sie tragen konnten, und sind über alle Berge. Hat er Geld für den Auftritt bei deinem Fest bekommen? Wenn ja, war es nicht in der Wohnung.«
Sulla schloß die Augen. Seine Müdigkeit war nicht geheuchelt. »Ich hatte ihn im voraus bezahlt, Gaius Julius, deshalb kann ich dir nicht sagen, ob er Geld in der Wohnung hatte.«
Caesar stand auf. »Nun, ich habe alles getan, was in meiner Macht steht.« Streng sah er auf die reglose Gestalt im Bett hinunter, doch Sullas Augen blieben geschlossen. »Du tust mir außerordentlich leid, Lucius Cornelius, aber so kann es nicht weitergehen. Meine Tochter hat sich beinahe zu Tode gehungert wegen einer unreifen Schwärmerei für dich, und sie hat sich bis heute nicht davon erholt. Du hast zwar meine Tochter nicht ermutigt, aber es wäre mir trotzdem lieber, wenn du in eine andere Gegend ziehen würdest. Ich habe einen Boten zu deiner Stiefmutter nach Circei geschickt und sie darüber informiert, was in ihrer Abwesenheit hier vorgegangen ist. Ich habe sie weiterhin darüber informiert, daß sie in dieser Straße schon lange nicht mehr gern gesehen ist. Wir hier sind ruhige Leute, und ich würde nur äußerst ungern eine Klage beim Stadtprätor einreichen, um unser Recht auf Frieden und Ruhe zu schützen. Aber wenn es nicht anders geht, werde ich die Klage einreichen.«
Sulla rührte sich nicht und öffnete auch nicht die Augen. Caesar blieb noch eine Welle stehen und überlegte, wieviel von seiner Strafpredigt angekommen sein mochte, als er auf einmal ein Schnarchen hörte. Er drehte sich um und ging.
Aber nicht Caesar, sondern Sulla erhielt zuerst Nachricht aus Circei. Der Verwalter des Landhauses teilte Sulla mit, man habe Clitumnas Leiche am Fuße der Felsen gefunden, die ihr Grundstück begrenzten. Beim Sturz habe sie sich das Genick gebrochen. Wie Sulla ja wisse, sei die Herrin Clitumna in letzter Zeit in sehr schlechter Verfassung gewesen.
Sulla schwang die Beine aus dem Bett und stand auf.
»Laß mir ein Bad ein und lege meine Toga bereit«, sagte er.
Die kleine Wunde an der Stirn heilte gut. Abgesehen von der Schwellung erinnerte nichts mehr an seinen gestrigen Zustand.
»Schicke nach Gaius Julius Caesar«, sagte Sulla zu Iamus, als er angekleidet war.
Von diesem Gespräch hing seine Zukunft ab. Den Göttern sei Dank, daß Skylax Metrobius nach dem Fest mit nach Hause genommen hatte, obwohl der Junge sich gesträubt hatte. Er war nur knapp davongekommen! Hätte Caesar Metrobius in Clitumnas Haus angetroffen, wäre Sullas Schicksal besiegelt gewesen. Caesar würde Sulla zwar niemals aufgrund von Gerüchten verurteilen, aber das Zeugnis seiner eigenen Augen hätte ein völlig neues Licht auf die Situation geworfen.
Als er Caesar empfing, war er vom Scheitel bis zur Sohle ein patrizischer Römer: Er war makellos weiß gekleidet, der schmale Streifen des Ritters schmückte seine Tunika, sein prachtvolles Haar war frisch geschnitten und zu einer männlichen Frisur gekämmt.
»Ich bitte dich um
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