MoR 01 - Die Macht und die Liebe
wird? Keine zweifelhaften Freunde?«
»Wenn ein Mann das Leben führen kann, auf das er nach seiner Herkunft ein Anrecht hat, Gaius Julius, dann braucht er keine lärmenden Feste und keine zweifelhaften Freunde.« Sulla seufzte. »Sie dienten nur dazu, die Zeit totzuschlagen. Du wirst das vermutlich schwer verstehen, aber das Leben, das ich über dreißig Jahre geführt habe, hing mir am Hals wie ein riesiger Mühlstein.«
»Ich verstehe es«, sagte Caesar.
Sulla kam ein schrecklicher Gedanke. »Aber wir haben ja gar keine Zensoren! Was soll ich tun?«
»Eine der Bedingungen, die Marcus Scaurus für seinen freiwilligen Rücktritt gestellt hat - falls man das als freiwilligen Rücktritt bezeichnen kann -, war, daß bereits im April nächsten Jahres neue Zensoren gewählt werden«, sagte Caesar ruhig. »Bis dahin wirst du dich gedulden müssen.«
Sulla straffte sich und holte tief Luft. »Gaius Julius, ich habe noch eine weitere Bitte an dich.«
Caesars blaue Augen sahen ihn an, als wisse er, was Sulla jetzt sagen würde - aber wie war das möglich, wo ihm der Gedanke doch gerade erst gekommen war? Eine hervorragende Idee. Denn wenn Caesar zustimmte, hatte Sullas Bewerbung bei den Zensoren erheblich mehr Gewicht, als Geld allein ihr verleihen konnte.
»Was für eine Bitte, Lucius Cornelius?« fragte Caesar.
»Ziehe mich als Ehemann für deine Tochter Julilla in Erwägung.«
»Obwohl sie dir soviel Unrecht zugefügt hat?«
»Ich - liebe sie«, sagte Sulla und glaubte es in diesem Moment selbst.
»Im Augenblick geht es Julilla noch viel zu schlecht, als daß man an Heirat denken könnte«, sagte Caesar, »aber ich werde deine Bitte überdenken, Lucius Cornelius.« Er lächelte. »Vielleicht habt ihr einander verdient, nach so viel Kummer.«
»Sie hat mir einen Kranz aus Gras geschenkt«, sagte, Sulla. »Seitdem, Gaius Julius, hat sich für mich das Blatt gewendet.«
»Ich glaube dir.« Caesar stand auf und wandte sich zum Gehen. »Trotzdem werde ich im Augenblick niemandem etwas davon sagen, und ich bitte dich dringend: Halte dich von ihr fern. Sie versucht noch immer, einen Ausweg aus ihrer mißlichen Lage zu finden, und ich möchte nicht, daß sich ihr eine so einfache Lösung bietet.«
Sulla begleitete Caesar zur Tür und streckte ihm dort die Hand hin. Dabei lächelte er mit geschlossenen Lippen, denn er wußte nur zu gut, welche Wirkung es hatte, wenn er seine langen, scharfen Eckzähne entblößte. Caesar mußte umworben und gehätschelt werden. Sulla wußte natürlich nichts von dem Gespräch, das Caesar und Gaius Marius seinerzeit geführt hatten, aber er war in puncto Heirat zum selben Schluß gekommen. Gab es einen besseren Weg, sich bei Zensoren und Wählern beliebt zu machen, als eine Julia zur Frau zu nehmen?
»Iamus!« rief Sulla, nachdem Caesar gegangen war.
»Lucius Cornelius?«
»Du brauchst dich nicht um das Abendessen zu kümmern. Richte das Haus als Trauerhaus für die Herrin her und sorge dafür, daß alle Diener aus Circei zurückkommen. Ich breche sofort auf und kümmere mich um die Bestattung.«
Und ich werde Metrobius mitnehmen und mich von ihm verabschieden, dachte Sulla, als er in aller Eile einige Dinge zusammenpackte. Ich werde mich von allen Resten meines alten Lebens verabschieden, und ich werde mich von Clitumna verabschieden. Ich werde nichts davon vermissen. Bis auf Metrobius. Ihn werde ich vermissen. Sehr sogar.
Das dritte Jahr
(108 v.Chr.)
Unter den Konsuln
SERVIUS SULPICIUS GALBA und QUINTUS HORTENSIUS
M it dem Beginn der winterlichen Regenzeit kam der Krieg gegen Numidien - soweit er bisher überhaupt gediehen war - vollends zum Stillstand. Römer und Numider bezogen ihre Winterquartiere. Gaius Marius hatte den Brief seines Schwiegervaters Caesar erhalten und machte sich Gedanken über den Inhalt. Er fragte sich, ob der Konsul Quintus Caecilius Metellus Schweinebacke wußte, daß er im neuen Jahr die Ernennung zum Prokonsul und eine Verlängerung seines Kommandos erhalten würde und daß ihm über kurz oder lang ein Triumph sicher war. Auch zum Sieg der Germanen über Marcus Junius Silanus und den Verlust so vieler Soldaten hatte im Hauptquartier des Statthalters in Utika noch niemand ein Wort verloren.
Aber das hieß natürlich nicht, dachte Marius verärgert, daß Metellus diese Tatsachen nicht längst bekannt waren. Es hieß nur, daß der erste Legat Gaius Marius wie üblich als letzter davon erfuhr. Dem armen Publius Rufus war die Aufgabe zugewiesen worden,
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