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MoR 01 - Die Macht und die Liebe

MoR 01 - Die Macht und die Liebe

Titel: MoR 01 - Die Macht und die Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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kommen, wie sich herausstellte. Sie brachten es auf Schulterhöhe herein, auf einem Kissen aus tyrischem Purpur in einer mit Edelsteinen besetzten goldenen Schüssel: einen riesigen Fisch aus dem Tiber, dessen starre Augen wie die einer geprügelten Bulldogge blickten. Sie trugen ihn mehrmals im Kreis um den ganzen Raum herum, mit mehr Feierlichkeit, als den zwölf Göttern bei einem lectisternium zuteil wird. Einen Fisch!«
    Metrobius runzelte die Stirn. »Was für ein Fisch war es?«
    Sulla legte den Kopf zurück und schaute Metrobius ins Gesicht. »Ein Barsch aus der Kanalisation. So etwas kennst du doch!«
    »Ich weiß nicht, ich kann mich nicht daran erinnern.«
    Sulla dachte nach, entspannte sich. »Na, vielleicht kennst du es wirklich nicht. Einen solchen Fisch gibt es auf Schauspielerfesten bestimmt nie und nimmer. Ich will dir nur soviel sagen, Metrobius, daß jeder Dummkopf von Feinschmecker in den höheren Kreisen von Rom schon allein bei dem Gedanken an einen Barsch aus der Mündung der Kanalisation vor Entzücken fast in Ohnmacht fällt. Dabei schwimmen sie zwischen der Hölzernen Brücke und dem Pons Aemilius zu Tausenden herum und baden ihre schuppigen Leiber in der Fracht der Abwasserkanäle. Sie sind so vollgefressen von Roms Fäkalien, daß sie Köder verschmähen. Sie riechen nach Kot, und sie schmecken nach Kot, und wenn du sie ißt, ißt du Kot. Das ist meine Meinung. Aber Quintus Granius und Crassus Orator schwelgten und schwärmten, als hätten sie nicht einen kotfressenden Flußbarsch aus dem Tiber vor sich, sondern Nektar und Ambrosia!«
    Metrobius konnte sich nicht mehr halten und würgte laut.
    »Gut gesagt!« rief Sulla und lachte. »Ach, wenn du sie nur gesehen hättest, diese aufgeblasenen Trottel! Sie feierten sich als die Besten und Feinsten von Rom, und dabei lief ihnen Roms Abwasser über das Kinn...« Sulla hielt inne und sog scharf die Luft ein. »Ich kann es nicht mehr ertragen. Keinen Tag mehr, keine Stunde.« Er hielt wieder inne. »Ich bin betrunken. Es waren diese schrecklichen Saturnalien.«
    »Wieso schreckliche Saturnalien?«
    »Langweilig - schrecklich - das ist egal. Eine andere Sorte Oberschicht als die Festgäste von Crassus Orator, aber genauso schlimm. Langweilig, langweilig, langweilig!« Er zuckte die Achseln. »Mach dir nichts daraus. Nächstes Jahr bin ich in Numidien und habe etwas, woran ich mir die Zähne ausbeißen kann. Ich kann es kaum erwarten ! Rom ohne dich - ohne meine alten Freunde - ich kann es nicht ertragen.« Ein Schauder überlief ihn. »Ich bin betrunken, Metrobius. Und ich sollte nicht hier sein. Aber wenn du wüßtest, wie gut es mir tut, hier zu sein!«
    »Ich weiß nur, wie gut es mir tut, dich hier zu haben«, sagte Metrobius laut.
    »Du bist im Stimmbruch«, sagte Sulla überrascht.
    »Es ist auch an der Zeit. Ich bin siebzehn, Lucius Cornelius. Zum Glück bin ich klein für mein Alter, und Skylax hat mir beigebracht, wie ich meine Stimme oben halten kann. Aber inzwischen vergesse ich es manchmal. Es ist schwierig zu kontrollieren. Ich muß mich auch bald rasieren.«
    »Siebzehn!«
    Metrobius glitt von Sullas Schoß, stellte sich vor ihn hin und sah ernst auf ihn hinunter, dann streckte er die Hand aus. »Komm! Bleib noch ein bißchen bei mir. Du kommst rechtzeitig nach Hause, bevor es hell wird.«
    Widerwillig stand Sulla auf. »Ich bleibe«, sagte er, »diesmal bleibe ich. Aber ich komme nicht wieder.«
    »Ich weiß«, sagte Metrobius und zog Sullas Arm über seine Schultern, »nächstes Jahr bist du in Numidien, und du wirst glücklich sein.«

Das vierte Jahr
(107 v. Chr.)
    Unter den Konsuln
LUCIUS CASSIUS LONGINUS und GAIUS MARIUS (I)
    W ohl noch keinem Konsul hatte das Amt so viel bedeutet, wie das erste Konsulat Gaius Marius bedeutete. Als er am Neujahrstag zur Amtsübergabe schritt, tat er dies in dem beruhigenden Wissen, daß er vorschriftsgemäß die ganze Nacht nach Omen Ausschau gehalten hatte, und sein weißer Stier hatte das mit Betäubungsmitteln versetzte Futter bereitwillig gefressen. Jetzt stand Marius, seiner Würde bewußt und bereits jeder Zoll der Konsul, aufrecht in der frischen Luft des heraufziehenden wolkenlosen Tages. Eindrucksvoll hob sich seine hochgewachsene Gestalt von den Umstehenden ab. Der erste Konsul Lucius Cassius Longinus, ein kleiner, feister Mann, sah in seiner Toga wenig beeindruckend aus und wurde von dem zweiten Konsul vollkommen in den Schatten gestellt.
    Und Lucius Cornelius Sulla war endlich

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