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MoR 01 - Die Macht und die Liebe

MoR 01 - Die Macht und die Liebe

Titel: MoR 01 - Die Macht und die Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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ihr? Die Antwort darauf ist einfach! Ich finde sie bei den besitzlosen Plebejern, bei den Ärmsten der Armen, die so arm sind, daß sie keiner der fünf Vermögensklassen angehören - ich finde meine Freiwilligen bei denen, die kein Geld haben, keinen Besitz und oft nicht einmal einen festen Beruf - ich finde sie bei denen, die noch nie Gelegenheit hatten, für ihr Land, für Rom zu kämpfen!«
    Die Senatoren waren unruhig geworden, und die Unruhe hatte sich immer mehr gesteigert, bis schließlich der ganze Senat donnerte: »Nein! Nein! Nein!«
    Marius verzog keine Miene. Geduldig wartete er, auch als der Aufruhr handgreiflich zu werden drohte und geballte Fäuste in die Luft flogen. Die Senatoren waren rot vor Zorn aufgesprungen, und über zweihundert Klappstühle polterten, von den Falten der Togen mitgerissen, über die alten, von ungezählten Füßen im Lauf der Jahrhunderte abgewetzten Marmorfliesen.
    Endlich legte sich der Lärm wieder. Die Senatoren schäumten, aber sie wußten, daß sie noch nicht alles gehört hatten, und ihre Neugier war stärker als ihre Wut.
    »Ihr könnt schreien und brüllen und heulen, bis Essig zu Wein wird!« rief Marius, sobald er sich Gehör verschaffen konnte. »Aber ich erkläre euch hier und jetzt, daß ich genau das tun werde! Und dazu brauche ich euer Einverständnis gar nicht! Kein Gesetz verbietet mir, Plebejer anzuwerben - aber in einigen Tagen wird es ein Gesetz geben, welches mir genau das erlaubt! Ein Gesetz, nach dem jeder rechtmäßig gewählte Konsul, der eine Armee braucht, Freiwillige bei den capite censi anwerben darf - besitzlose Bürger und Plebejer. Denn ich, Senatoren, trete mit meinem Anliegen vor das Volk!«
    »Nein!« schrie Delmaticus.
    »Nur über meine Leiche!« schrie Scipio Nasica.
    »Nein!« schrien alle Senatoren. »Nein! Nein! Nein!«
    »Wartet!« rief eine einsame Stimme. Es war Scaurus. »So wartet doch! Laßt mich ihm antworten!«
    Aber niemand hörte ihm zu. Die curia hostilia , Sitz des Senats seit der Gründung der Republik, erzitterte vom Geschrei der tobenden Senatoren.
    »Kommt mit!« Hocherhobenen Hauptes verließ Marius die Curia, gefolgt von seinem Quästor Sulla und seinem Volkstribunen Titus Manlius Mancinus.
    Auf dem Forum waren bei den ersten Anzeichen des Sturms in der Curia Menschen zusammengeströmt, und auf den Sitzreihen des Comitiums drängten sich bereits Marius’ Anhänger. Entschlossen marschierten der Konsul und sein Volkstribun die Treppe der Curia hinunter und hinüber zur Rednerbühne an der Rückseite des Comitiums. Quästor Sulla, ein Patrizier, mußte auf den Stufen der Curia stehenbleiben.
    »Hört mich an!« brüllte Mancinus. »Hiermit berufe ich die Versammlung der Plebs ein und eröffne eine contio , eine vorbereitende Diskussion!«
    Gaius Marius trat zum Rednerplatz am vorderen Rand der Bühne. Er drehte sich so, daß er halb zum Comitium, halb zum unteren Teil des Forums gewandt war. Wer auf den Stufen der Curia stand, sah von ihm nicht viel mehr als seinen Rücken, und als die Senatoren mit Ausnahme der wenigen Patrizier des Senats durch die Sitzreihen des Comitiums nach unten drängten, zur Mitte, wo sie Marius ins Gesicht sehen und ihn stören konnten, verstellten ihnen die zum Comitium befohlenen Klienten und Anhänger Marius’ den Weg. Es entstand ein unsanftes Geschiebe und Gedränge, und heftige Worte flogen hin und her, aber die Absperrung gab nicht nach. Nur die neun anderen Volkstribunen wurden zur Rednerbühne durchgelassen. Der innere Zwiespalt eines jeden stand auf ihren Gesichtern zu lesen. Wortlos verharrten sie am hinteren Rand der Bühne und rangen mit der Entscheidung, ob sie angesichts dieser Umstände ein Veto einlegen und damit ihr Leben riskieren sollten.
    »Volk von Rom«, rief Marius, »der Senat verbietet mir zu tun, was ich tun muß, wenn Rom überleben will! Rom braucht Soldaten, Rom braucht dringend Soldaten! Wir sind auf allen Seiten vom Feind umgeben, doch die ehrwürdigen Väter des Senats sind wie immer ausschließlich daran interessiert, ihre überkommenen Privilegien zu verteidigen, statt sich um Roms Schicksal zu kümmern!
    Es ist der Senat, Volk von Rom, der die Römer und Latiner und Italiker bis aufs Blut ausgesaugt hat und der rücksichtslos die Männer jener Klassen ausgebeutet hat, die traditionell die Soldaten Roms stellen! Denn ich sage euch: Von diesen Männern ist keiner mehr übrig! Wer nicht wegen der Habgier, Arroganz und Dummheit eines Feldherrn und Konsuls auf

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