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MoR 01 - Die Macht und die Liebe

MoR 01 - Die Macht und die Liebe

Titel: MoR 01 - Die Macht und die Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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dem Schlachtfeld gefallen ist, ist entweder verstümmelt und als Soldat nicht mehr zu gebrauchen oder er dient gegenwärtig in den Legionen!
    Aber es gibt noch Männer, die bereit und begierig sind, Rom freiwillig zu dienen! Ich meine die besitzlosen Plebejer, jene Bürger Roms und der italischen Städte, die zu arm sind, um eine Stimme in der Zenturienversammlung zu haben, zu arm, um Land oder ein Geschäft zu besitzen, zu arm, um sich als Soldaten ausrüsten zu können! Es ist an der Zeit, Römer, diese Tausende und Abertausende von Männern aufzufordern, daß sie mehr für Rom tun sollen als Schlange stehen, wann immer es billiges Getreide gibt, an Feiertagen in den Zirkus drängen und dort die Zeit totschlagen, Söhne und Töchter in die Welt setzen, die sie nicht ernähren können! Wenn sie kein Vermögen besitzen, sind sie doch nicht wertlos! Ich glaube zum Beispiel nicht, daß sie Rom weniger lieben als die Reichen. Ich glaube sogar, sie lieben Rom aufrichtiger als manches ehrenwerte Mitglied des Senats!«
    Marius richtete sich leidenschaftlich auf und breitete die Arme aus, als wolle er ganz Rom umarmen. »Ich bin heute zusammen mit den Tribunen hier, um mir von euch, dem Volk, zu holen, was der Senat mir nicht geben will! Ich bitte euch um das Recht, besitzlose Plebejer als Soldaten anzuwerben! Ich will aus namenlosen Bürgern Soldaten der römischen Legionen machen! Ich biete ihnen eine einträgliche Stellung an, einen ordentlichen Beruf, außerdem eine Zukunft für sie und ihre Familien und die Möglichkeit, zu Ehre und Ansehen zu gelangen. Ich biete ihnen eine Erhöhung ihres Selbstbewußtseins und ihrer Würde und die Chance, bei der Errichtung der römischen Herrschaft eine bedeutende Rolle zu spielen.«
    Er hielt inne. Die Menge starrte schweigend zu ihm hinauf. Die Blicke aller waren wie gebannt auf das zornrote Gesicht und die blitzenden Augen des Konsuls gerichtet, auf sein trotzig emporgerecktes Kinn und die stolze Brust. »Die Väter des Senats wollen diesen Abertausenden von Männern ihre Chance vorenthalten! Und mir will man verbieten, ihre Dienste, ihre Loyalität und ihre Liebe zu Rom in Anspruch zu nehmen! Und weshalb? Weil die Senatoren Rom mehr lieben als ich? Mitnichten! Weil sie sich selbst und ihresgleichen mehr lieben als Rom und alles andere! Deshalb komme ich zu euch, zum Volk. Ich bitte euch, auch im Namen Roms, gebt mir, was der Senat mir verweigert! Gebt mir die capite censi , Römer! Gebt mir die Niedrigsten und Ärmsten! Laßt mich aus ihnen Bürger machen, auf die Rom stolz sein kann, Bürger, die Rom nützen, statt ihm zur Last zu fallen, Bürger, die vom Staat ausgerüstet, ausgebildet und bezahlt werden, damit sie dem Staat mit Leib und Seele als Soldaten dienen! Wollt ihr mir geben, was ich verlange? Wollt ihr Rom geben, was Rom braucht?«
    Und dann brach der Tumult los. Jubelgeschrei und Füßegetrampel machten jedes weitere Wort unmöglich. Marius hatte es geschafft - eine tausend Jahre alte Tradition stürzte ein. Die neun Volkstribunen sahen einander verstohlen an, in stummem Einverständnis, daß sie kein Veto einlegen würden. Auch sie lebten gern.

    Nach Verabschiedung der lex Manlia , die den amtierenden Konsuln das Recht verlieh, Freiwillige unter den capite censi zu werben, sprach Marcus Aemilius Scaurus im Senat. »Gaius Marius ist ein geifernder, tollwütiger Wolf! Gaius Marius ist ein bösartiges Geschwür , das in unserer Mitte wuchert! Gaius Marius ist der sprechendste Grund, patres conscripti , warum wir unsere Reihen gegen Aufsteiger schließen müssen! Nicht einmal einen Platz in der letzten Reihe dieses ehrwürdigen Hauses dürfen sie bekommen! Was, frage ich euch, versteht ein Gaius Marius denn vom römischen Wesen, von den unvergänglichen Idealen und Traditionen des römischen Staates?
    Ich bin der Senatsvorsitzende, aber in all den Jahren in diesem Hause, das ich als die Verkörperung des römischen Geistes verehre, bin ich keinem so arglistigen, gemeingefährlichen und erpresserischen Menschen wie Gaius Marius begegnet! Zweimal innerhalb von drei Monaten hat er die geheiligten Vorrechte des Senats mit Füßen getreten und auf dem rohen Altar des Volkes geopfert! Zuerst hat er den Senatsbeschluß aufgehoben, mit dem wir das Kommando des Quintus Caecilius Metellus in Africa verlängert haben. Und jetzt nutzt er die Ahnungslosigkeit des Volkes dazu aus, seinen persönlichen Ehrgeiz zu befriedigen: Er läßt sich vom Volk ermächtigen, Soldaten

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