MoR 01 - Die Macht und die Liebe
konnten ihn beide Seiten des Hauses sehen und hören.
»Ich sage euch eines, eingeschriebene Väter: In Zukunft müssen wir mit aller Macht Widerstand leisten, wenn ein Konsul mit der lex Manlia Rekruten bei den capite censi anwerben will. Das Volk hat uns nur aufgetragen, die Armee des Gaius Marius zu bezahlen. Der schriftliche Wortlaut des Gesetzes sagt nicht, daß wir auch die nächste Bettlerarmee zahlen müssen, die auf uns zukommt! Hier werden wir den Hebel ansetzen. Soll der künftige Konsul nur nach Belieben Plebejer rekrutieren, um damit die Reihen seiner Legionen aufzufüllen - wenn er uns, die Hüter des römischen Staatsschatzes, bittet, seine Legionen zu bezahlen und auszurüsten, sagen wir nein.«
Gaius Marius erhob sich, um zu antworten. »Eine kurzsichtigere und lächerlichere Haltung würde man schwerlich im Harem eines parthischen Satrapen finden, Marcus Aemilus! Warum bist du so uneinsichtig? Wenn Rom behalten will, was es jetzt hat, muß es in alle Römer investieren, auch in die, die nicht berechtigt sind, in der Zenturienversammlung zu wählen! Statt dessen schicken wir unsere Bauern und kleinen Geschäftsleute in die Schlacht und in den sicheren Tod, wenn wir sie so hirnlosen Idioten wie Carbo und Silanus anvertrauen - ach, du bist auch anwesend, Marcus Junius Silanus? Entschuldige bitte!
Was spricht dagegen, jenen großen Teil der Gesellschaft für den Staat arbeiten zu lassen, der Rom bisher so nützlich war wie dem Stier das Euter? Wenn unser einziger ernsthafter Einwand dagegen ist, daß wir mehr von dem Geld ausgeben müssen, das in unseren Schatztruhen vermodert, dann sind wir nicht nur kurzsichtig, sondern dann sind wir dumm! Du, Marcus Aemilus, bist überzeugt, daß die Plebejer katastrophale Soldaten sein werden. Gut, ich bin überzeugt, sie werden hervorragende Soldaten sein! Sollen wir also weiter darüber stöhnen, daß sie uns Geld kosten werden? Ihnen die Pension am Ende ihres aktiven Dienstes verweigern? Das willst du, Marcus Aemilius!
Ich schlage etwas anderes vor. Ich schlage vor, daß der Staat dem besitzlosen Soldaten am Ende seiner Dienstzeit eine kleine Landparzelle aus öffentlichem Besitz vermacht. Der Veteran kann dieses Land dann bestellen oder verkaufen. Es wäre eine Art Pension. Zugleich wächst unseren dezimierten Kleinbauern dadurch die so dringend benötigte neue Kraft zu. Und das sollte für Rom ein Schaden sein? Männer, Senatskollegen, erkennt ihr nicht, daß Rom nur reicher werden kann, wenn es seinen Reichtum nicht nur mit den Walen, sondern auch mit den Sprotten teilt?«
Aber die Senatoren waren schon wieder empört aufgesprungen, und Konsul Lucius Cassius Longinus, der die Sitzung leitete, wollte einer weiteren Eskalation vorbeugen. Er erklärte die Sitzung für geschlossen und schickte alle nach Hause.
Marius und Sulla machten sich daran, 20 480 Fußsoldaten, 5120 nichtkämpfende Freie, 4 000 nichtkämpfende Sklaven, 2000 Reiter und 2000 Pferdeknechte aufzutreiben.
»Ich übernehme Rom, und du kümmerst dich um Latium«, sagte Marius zufrieden. »Ich bezweifle, daß wir unsere italischen Bundesgenossen überhaupt belästigen müssen. Wir werden es schon schaffen, Lucius Cornelius! Obwohl sie sich so sträuben, wir werden es schon schaffen. Ich habe unseren gemeinsamen Schwiegervater Gaius Julius gebeten, mit den Rüstungs- und Waffenfabrikanten zu verhandeln, und ich lasse seine Söhne aus Africa kommen. Wir können sie hier brauchen. Zwar glaube ich nicht, daß Sextus und der junge Gaius das Zeug zu militärischen Führern haben, aber sie sind ausgezeichnete Befehlsempfänger. Sie arbeiten hart, sind intelligent und loyal.«
Marius ging in sein Arbeitszimmer, wo bereits zwei Männer warteten. Der eine war ein Senator Mitte dreißig, an dessen Gesicht Sulla sich vage erinnern konnte. Der andere war ein junger Bursche von ungefähr achtzehn Jahren.
Marius machte seinen Quästor mit den beiden bekannt.
»Lucius Cornelius, das ist Aulus Manlius. Ich habe ihn gebeten, mir als Legat zu dienen.« Der Senator lächelte. Einer aus dem Patriziergeschlecht Manlius, dachte Sulla. Marius hatte wirklich überall Freunde und Klienten.
»Und dieser junge Mann ist Quintus Sertorius, der Sohn meiner Cousine Maria in Nersia, kurz Ria genannt. Ich habe ihn in meinen persönlichen Stab aufgenommen.« Ein Sabiner, dachte Sulla. Er hatte gehört, daß die Sabiner hervorragende Soldaten waren - unorthodox, aber tapfer und unbeugsam.
»Also gut, an die Arbeit«,
Weitere Kostenlose Bücher