MoR 01 - Die Macht und die Liebe
Rutilius zum Empfang am Pier. Er übergab Marius offiziell die Provinz.
»Wo ist unser Freund Schweinebacke?« fragte Marius, als sie zum Palast des Statthalters schlenderten.
»Der sitzt mit seinen Legionen in Hadrumentum und hadert mit dem Schicksal«, seufzte Rutilius. »Er hat beim Jupiter Stator geschworen, daß er dich weder sehen noch sprechen wird.«
»So ein Schwachkopf.« Marius grinste. »Hast du meinen Brief über die capite censi und die neuen Legionen bekommen?«
»Natürlich. Aulus Manlius singt Loblieder auf dich, seit er hier eingetroffen ist, ich kann es schon gar nicht mehr hören. Eine geniale Idee, Gaius Marius.« Dann sah Rutilius Marius ernst an. »Sie werden dich für deine Kühnheit bezahlen lassen, alter Freund. Darauf kannst du dich verlassen!«
»Das glaube ich nicht. Ich habe sie jetzt dort, wo ich sie haben wollte - und bei den Göttern, ich schwöre, es wird so bleiben, solange ich lebe! Ich werde den Senat in den Staub treten, Publius Rutilius.«
»Das wird dir nicht gelingen. Am Ende wird der Senat dich in den Staub treten.«
»Niemals!«
Und von dieser Überzeugung konnte Rutilius Rufus ihn nicht abbringen.
Utika zeigte sich von seiner besten Seite. Die flachen Häuser waren nach den winterlichen Regenfällen frisch verputzt worden, und die ganze Stadt leuchtete in strahlendem Weiß. Zwischen den Häusern blühten Bäume, es war angenehm warm, und farbenfroh gekleidete Menschen bevölkerten sämtliche Straßen. Die kleinen Plätze waren mit Buden und Cafés besetzt, hochgewachsene Bäume spendeten Schatten, das Pflaster war sauber gefegt. Utika hatte wie die meisten römischen, ionischen und punischen Städte eine funktionierende Kanalisation, öffentliche Bäder für die Bevölkerung und eine gute Trinkwasserversorgung. Aquädukte führten das Wasser von den sanft geschwungenen blauen Bergen her, die in der Ferne anstiegen.
»Publius Rutilius, was gedenkst du zu tun?« fragte Marius. Sie hatten im Arbeitszimmer des Statthalters Platz genommen und sahen belustigt zu, wie die Sklaven, die bisher Metellus bedient hatten, jetzt vor Marius dienerten und katzbuckelten. »Willst du als mein Legat hierbleiben? Ich habe Aulus Manlius diesen besten Posten, den ich zu vergeben habe, noch nicht angeboten.«
Rutilius schüttelte nachdrücklich den Kopf. »Nein, Gaius Marius, ich fahre nach Rom zurück. Schweinebacke geht, deshalb ist auch meine Zeit hier zu Ende. Außerdem habe ich genug von Africa. Und ganz offen gesagt, lege ich keinen Wert darauf, den armen Jugurtha in Ketten vor mir zu sehen - denn so wird er enden, jetzt, wo du das Kommando übernommen hast. Nein, da bevorzuge ich Rom und etwas Muße, Zeit, um zu schreiben und Freundschaften zu pflegen.«
»Und wenn ich dich eines Tages in nicht allzu ferner Zukunft bitten sollte, fürs Konsulat zu kandidieren - zusammen mit mir?«
Rutilius sah ihn erstaunt, aber aufmerksam an. »Was führst du im Schilde?«
»Mir wurde prophezeit, lieber Publius Rutilius, daß ich nicht weniger als siebenmal Konsul von Rom sein werde.«
Jeder andere hätte vermutlich gelacht oder gespottet oder Marius einfach nicht geglaubt. Nicht so Publius Rutilius Rufus. Er kannte Marius. »Ein großes Schicksal. Es erhebt dich über alle anderen, und ich bin zu sehr Römer, als daß ich das gutheißen könnte. Aber wenn dir dieses Schicksal bestimmt ist, kannst du nichts dagegen tun, genausowenig wie ich. Ob ich gerne Konsul wäre? Ja, natürlich! Ich betrachte es als meine Pflicht, den Ruhm meiner Familie zu mehren. Doch spare mich für ein Jahr auf, in dem du mich wirklich brauchst, Gaius Marius.«
Marius nickte zufrieden. »Das werde ich.«
Auch die beiden africanischen Könige Bocchus und Jugurtha erfuhren, daß Marius den Oberbefehl in Africa übernommen hatte. Bocchus bekam eine Heidenangst. Er setzte sich sofort ins heimatliche Mauretanien ab und ließ Jugurtha allein zurück. Jugurtha freilich konnte weder die Flucht seines Schwiegervaters noch Marius’ neue Stellung einschüchtern. Er warb bei den Gaetulern Soldaten an und wartete darauf, daß Marius den ersten Schritt tun würde.
Ende Juni waren vier der sechs neuen Legionen in der römischen Provinz Africa eingetroffen. Zufrieden mit dem Stand ihrer Ausbildung, führte Marius sie nach Numidien. Dort ließ er sie Städte plündern, Felder verwüsten und kleinere Gefechte kämpfen. Es war die Feuertaufe für seine plebejischen Rekruten und schweißte sie zu einer ernstzunehmenden Armee
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