MoR 01 - Die Macht und die Liebe
herangegangen. Aber Marius’ Gesetz war ein Stich ins Wespennest gewesen, die Senatoren waren sehr beunruhigt. Bereits in den ersten Wochen von Caepios Amtszeit schlug das Pendel in die andere Richtung aus, die Plebs und die Ritter, die in der Versammlung der Plebejer das Sagen hatten, mußten empfindliche Niederlagen einstecken.
Als Patrizier hatte Caepio das Recht, eine Volksversammlung einzuberufen, und er durfte davon nicht ausgeschlossen werden. In der Volksversammlung setzte er durch, daß den Rittern das Repetundengericht entzogen wurde, das ihnen seit Gaius Gracchus unterstand. Die Richterbank sollte wie früher ausschließlich vom Senat besetzt werden, und der würde seine eigenen Leute schon schützen. In der Volksversammlung gab es eine harte Auseinandersetzung, der gutaussehende Gaius Memmius führte eine starke Gruppe oppositioneller Senatoren an, doch letztendlich gewann Caepio.
Nach diesem Erfolg zog der Konsul Ende März mit acht Legionen und einer starken Reiterei in Richtung Tolosa. Er träumte von einem großen Sieg, nicht um des öffentlichen Ruhmes willen, sondern zu seiner persönlichen Befriedigung. Quintus Servilius Caepio war nämlich ein typischer Vertreter seiner Sippe, den die Aussicht, als Statthalter sein Vermögen zu mehren, weitaus mehr lockte als der Lorbeerkranz des siegreichen Feldherrn. Caepio war schon als Prätor in Hispania Ulterior Statthalter gewesen, als Nachfolger von Scipio Nasica, der das Vertrauen des Senats verloren hatte, und hatte schon damals reich davon profitiert. Als Statthalter im Range eines Konsuls würde er noch mehr profitieren.
Wenn es möglich gewesen wäre, jederzeit Truppen auf dem Seeweg von Italien nach Spanien zu bringen, wäre die von Gnaeus Domitius Ahenobarbus gut ausgebaute Straße entlang der Küste von Gallia Transalpina eigentlich überflüssig gewesen. Doch in dieser Jahreszeit, bei anhaltenden Stürmen und unberechenbaren Strömungen, war der Transport über See zu riskant. Caepios Legionen mußten deshalb wie die Soldaten des Lucius Cassius im Jahr zuvor die gut tausend Meilen von der Campania nach Narbo auf dem Landweg zurücklegen. Den Legionären machte der Marsch nichts aus, denn sie alle haßten und fürchteten das Meer, hundert Meilen auf einem Schiff erschienen ihnen schlimmer als tausend Meilen zu Fuß.
Der Weg von der Campania nach Narbo dauerte mehr als siebzig Tage, die Soldaten legten also im Durchschnitt knapp fünfzehn Meilen pro Tag zurück. Sie kamen nur langsam voran, weil sie Unmengen von Gerät, unzählige Tiere, Wagen und Sklaven in einem riesigen Troß mit sich führten, denn für einen römischen Soldaten aus einer besitzenden Schicht war es selbstverständlich, daß er allerlei Dinge für den persönlichen Bedarf auf den Feldzug mitnahm.
In Narbo, einem kleinen Hafen, den Gnaeus Domitius Ahenobarbus für die Zwecke der römischen Armee hatte ausbauen lassen, schlugen die Soldaten ein Lager auf. Der Aufenthalt war gerade so lang, daß die Legionäre sich von den Strapazen des Marsches erholen und neue Kräfte sammeln konnten. Während ihrer Rast gewannen die Römer einen Eindruck davon, wie wunderschön Narbo im Frühsommer war. Im klaren Wasser des Hafenbeckens tummelten sich Garnelen, Langusten, riesige Krebse und allerlei Fische, in dem schlammigen Grund der Salzwassertümpel an den Mündungen von Aude und Têt lebten Austern und Meeräschen. Die Meeräschen galten als die größte Köstlichkeit, die römische Legionen auf ihren weltweiten Eroberungszügen jemals kennengelernt hatten. Platt und rund wie Teller, beide Augen auf der einen Seite des albernen, flachen Kopfes, dämmerten sie im Schlamm vor sich hin. Man mußte sie ausgraben, und wenn sie dann zappelnd versuchten, sich wieder im schützenden Schlamm einzugraben, wurden sie aufgespießt.
Nach sechzehn Tagen wurde zum Aufbruch geblasen. Caepio zog mit seinen Truppen auf der Küstenstraße nach Tolosa. An der Stelle, wo die Aude auf ihrem Weg von den Pyrenäen nach Süden eine Biegung nach rechts machte, ragte die furchteinflößende Festung Carcasso auf. Von dort aus nahmen die Legionen den Weg über das Hügelland zwischen dem breiten Tal der Garonne und den kleinen, zum Meer hinabfließenden Flüssen und erreichten schließlich das fruchtbare Schwemmland bei Tolosa.
Caepio besaß wie gewöhnlich ein geradezu unglaubliches Glück. Die Germanen hatten sich mit den Volsker-Tektosagern heftig gestritten und waren von König Copillus von Tolosa daraufhin
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