MoR 01 - Die Macht und die Liebe
und Korruption waren nie meine Art - nun, Du kannst das besser beurteilen als die meisten, denke ich.
Ich will, daß Du folgendes tust: Ich werde Prinz Bogud in Cirta Audienz gewähren, Du mußt also die Gesandtschaft hierher bringen. Doch bevor ihr euch auf den Weg macht, möchte ich, daß Du jeden einzelnen römischen Senator, jeden Beamten des Schatzamtes, jeden offiziellen Vertreter des Senats von Rom oder des römischen Volkes, jeden wichtigen römischen Bürger in der gesamten Provinz Africa auftreibst. Bring sie mit nach Cirta. Ich werde mit Bogud verhandeln, und alle bedeutenden Römer, die ich finden kann, werden dabeisein, werden jedes Wort hören, das ich sage, und schriftlich gutheißen, was ich beschließe.
Lauthals lachend legte Sulla den Brief zur Seite. »Das ist einfach genial, Gaius Marius!« sagte er zu den vier Wänden seines Arbeitszimmers. Und dann stürzte er seine Tribunen und Verwaltungsbeamten in heillose Verwirrung mit dem Auftrag, die gesamte Provinz nach prominenten Römern abzusuchen.
Weil die Provinz Africa ein wichtiger Weizenlieferant für Rom war, besuchten sie reiselustige Senatoren gern. Die Provinz war exotisch und schön, und bei den üblichen Windverhältnissen Anfang des Jahres war die Seereise nach Osten sicherer als die Passage über das adriatische Meer. Selbst in der Regenzeit regnete es nicht jeden Tag, zwischen den Regengüssen war das Klima herrlich mild und eine Wohltat für die Frostbeulen der Besucher aus dem wintergeplagten Europa.
Sulla gelang es, zwei Senatoren aufzutreiben, zwei bedeutende Landbesitzer - darunter den größten, Marcus Caelius Rufus -, einen leitenden Beamten des Schatzamtes, der seinen Urlaub in Nordafrica verbrachte, sowie einen Händler, der Weizengeschäfte in großem Stil abwickelte.
»Aber mein größter Fund«, sagte Sulla zu Gaius Marius, als er zwei Wochen später in Cirta ankam, »ist Gaius Billienus, der sich Africa ein bißchen anschauen wollte, bevor er die Verwaltung der Provinz Asia antritt. Ich bringe dir also einen Prätor mit prokonsularischen Machtbefugnissen! Und dann haben wir noch einen Quästor vom Schatzamt, Gnaeus Octavius Ruso. Er kam mit dem Sold für das Heer und traf gerade im Hafen von Utika ein, als wir auslaufen wollten, und so habe ich ihn auch gleich mitgebracht.«
»Lucius Cornelius, du bist ein Mann nach meinem Geschmack!« lobte Marius mit breitem Grinsen. »Du begreifst sehr schnell.«
Bevor Marius die maurische Abordnung empfing, berief er die römische Prominenz zu einer Sitzung ein.
»Ich werde euch genau erklären, wie die Lage ist«, begann Marius, »dann werde ich in eurem Beisein mit Prinz Bogud und den anderen Gesandten sprechen, und anschließend sollten wir gemeinsam entscheiden, wie wir uns gegenüber König Bocchus verhalten. Ich muß jeden von euch bitten, seine Meinung schriftlich festzuhalten, damit man in Rom sieht, daß ich meine Befugnisse nicht überschritten habe.«
Das Ergebnis der Sitzung fiel genauso aus, wie Marius es sich erhofft hatte. Er hatte die hochgestellten Herren aus Rom mit Vorsicht und Beredsamkeit über die Situation unterrichtet, dabei hatte Sulla ihn tatkräftig unterstützt. Die Versammlung kam überein, daß ein Friedensschluß mit Bocchus wünschenswert sei und daß man am besten drei der maurischen Gesandten in Begleitung des Quästors Gnaeus Octavius Ruso nach Rom schicken solle, die beiden anderen Mauren sollten als Beweis von Roms gutem Willen zu Bocchus zurückkehren.
So reisten denn Prinz Bogud und zwei seiner Verwandten unter der Aufsicht von Gnaeus Octavius Ruso nach Rom, wo sie Anfang März eintrafen und in einer eigens einberufenen Sitzung des Senats angehört wurden. Die Senatssitzung fand im Tempel der Bellona statt, denn die Angelegenheit betraf einen ausländischen Krieg mit einem ausländischen Herrscher, und Bellona war Roms ursprüngliche Kriegsgöttin - weit älter als Mars -, ihr Tempel somit der angemessene Ort für Kriegsberatungen des Senats.
Nach Abschluß der Beratungen wurden die Türen des Tempels weit geöffnet, damit draußen alle hören konnten, was der Senat beschlossen hatte. Konsul Publius Rutilius Rufus gab den Spruch des Senats bekannt.
»Teilt König Bocchus mit«, sagte Rutilius Rufus mit seiner hellen, klaren Stimme, »daß der Senat und das Volk von Rom weder eine Beleidigung noch einen erwiesenen Dienst vergessen. Wir erkennen, daß König Bocchus seine Verfehlung aufrichtig bereut, und so wäre es nicht gerecht,
Weitere Kostenlose Bücher