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MoR 01 - Die Macht und die Liebe

MoR 01 - Die Macht und die Liebe

Titel: MoR 01 - Die Macht und die Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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war es eine tiefe Befriedigung, daß ihre Enkelin, die Erbin des riesigen Vermögens der Sempronier, dieses nun in ein Haus einbringen würde, das sein Vermögen für die Sache von Gaius Gracchus geopfert hatte. Und mit größtem Vergnügen teilte sie ihrer Enkelin mit, daß sie immer noch genügend Einfluß im Senat besaß, um ein Dekret zu erwirken, das ihre Enkelin von den Bestimmungen der lex Voconia de mulierum hereditatibus ausnahm. So war das riesige Vermögen geschützt für den Fall, daß irgendein entfernter männlicher Verwandter auftauchen sollte, um das Vermögen mit Hilfe dieses frauenfeindlichen Gesetzes an sich zu bringen. Dieses Dekret, fügte sie hinzu, galt auch für die darauffolgende Generation, falls Sempronia nur weibliche Erben haben würde.
    Der Tod von Cornelia, der Mutter der Gracchen, kam schnell und gnädig, und ganz Rom konnte feststellen, daß die Götter sie wirklich geliebt, wenn auch schwer geprüft hatten. Als Angehörige des Geschlechts der Cornelier wurde sie beigesetzt, nicht verbrannt. Die Cornelier waren die einzige unter den großen und weniger großen Familien Roms, die ihre Körper nach dem Tod nicht verbrennen ließ. Man errichtete für sie ein großartiges Grabmal an der Via Latina, das ständig mit frischen Blumen geschmückt war. Im Laufe der Jahre entwickelte es sich immer mehr zu einem Schrein, einer Kultstätte, obwohl der Kult offiziell nie anerkannt wurde. Die Römerinnen beteten an ihrem Grab um die Gaben, die mit Cornelias Namen verknüpft waren, und legten Blumen nieder. Cornelia, die Mutter der Gracchen, war zu einer Göttin geworden, ihr Name war der Inbegriff eines unbesiegbaren Geistes angesichts bitterster Leiden.
    Was würde Cornelia, die Mutter der Gracchen, tun? Dieses Mal fand Aurelia keine befriedigende Antwort auf ihre Frage, weder Logik noch Instinkt halfen ihr, ihr eigenes Dilemma auf das Leben einer Frau zu übertragen, deren Eltern ihr nie und nimmer erlaubt hätten, den Gatten selbst auszuwählen. Natürlich konnte Aurelia verstehen, warum ihr Onkel diese Lösung vorgeschlagen hatte. Ihre klassische Bildung war breit genug, daß sie die Parallele zu Helena von Troja erkannte, auch wenn sie sich selbst nicht für unwiderstehlich schön hielt, sondern in erster Linie für eine außergewöhnlich gute Partie.
    Schließlich kam sie zu dem einzigen Schluß, den Cornelia, die Mutter der Gracchen, gutgeheißen hätte. Sie würde ihre Bewerber mit größter Gewissenhaftigkeit prüfen und den besten auswählen. Das bedeutete nicht, daß sie sich am meisten zu diesem Mann hingezogen fühlen mußte, sondern daß er dem römischen Ideal am nächsten kommen mußte. Er mußte also aus einer guten Familie stammen, die zumindest Senatoren unter ihren Mitgliedern hatte und die ihre dignitas , ihr öffentliches Ansehen, ihren Rang von der Gründung der Republik an durch Generationen hindurch makellos und unbefleckt bewahrt hatte. Er mußte mutig sein, beherrscht, keinesfalls geldgierig oder bestechlich, moralisch unanfechtbar, und er mußte bereit sein, wenn nötig sein Leben für Rom und seine Ehre zu opfern.
    Hohe Erwartungen! Und wie konnte ein Mädchen, das so behütet lebte wie sie, sicher sein, daß es richtig urteilte? Sie beschloß, mit den drei Erwachsenen ihrer Familie, mit Marcus Cotta, Rutilia und ihrem älteren Halbbruder Lucius, zu sprechen und sie um ihre offene Meinung zu jedem der Männer auf der Liste ihrer Freier zu bitten. Die drei waren zwar etwas erstaunt, doch sie versuchten, Aurelia zu helfen, so gut sie konnten. Unglücklicherweise mußte jeder von ihnen bei näherem Nachfragen zugeben, daß persönliche Sympathien oder Abneigungen sein Urteil beeinflußten. So war Aurelia wieder da, wo sie angefangen hatte.
    »Keiner gefällt ihr wirklich«, sagte Cotta bekümmert zu seiner Frau.
    »Nicht einer!« seufzte Rutilia.
    »Es ist unglaublich, Rutilia! Ein achtzehnjähriges Mädchen, das sich zu keinem einzigen Mann auch nur ein wenig hingezogen fühlt! Was ist los mit ihr?«
    »Woher soll ich das wissen?« Rutilia fühlte sich zu Unrecht angegriffen. »Sie hat das bestimmt nicht von meiner Seite der Familie!«
    »Nun, von mir hat sie es mit Sicherheit auch nicht!« schnappte Cotta. Dann riß er sich zusammen, gab seiner Frau einen Kuß und verfiel wieder in dumpfes Grübeln. »Weißt du, ich möchte wetten, am Ende ist ihr keiner gut genug!«
    »Du könntest recht haben«, stimmte Rutilia zu.
    »Was sollen wir nur tun? Wenn wir nicht aufpassen,

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