MoR 01 - Die Macht und die Liebe
einer Münze abzubilden als einen vierspännigen. Und so ist die Siegesgöttin in einer biga anstatt in einer quadriga zu sehen«, antwortete er. »Aber wir versuchen auch, etwas Originelleres zu machen als die Siegesgöttin oder Rom. Wenn es in einem Jahr drei verschiedene Münzen zu prägen gibt - und das ist meistens der Fall -, kann jeder von uns bei einer Münze entscheiden, was darauf abgebildet wird.«
»Wirst du auch etwas aussuchen?« fragte Aurelia.
»Ja, wir haben Lose gezogen, und ich habe die Silberdenare gezogen. Also werden die Denare dieses Jahr auf der einen Seite Julus, den Sohn von Aeneas, zeigen und auf der anderen die Marcia Aqua zur Erinnerung an meinen Großvater Marcus Rex.«
Im Herbst, erfuhr Aurelia, wollte Gaius Caesar sich zum Militärtribunen wählen lassen. Gegenwärtig hatte sein Bruder Sextus dieses Amt inne, und Sextus würde mit Gnaeus Mallius Maximus nach Gallien ziehen.
Nach dem letzten Gang des hervorragenden Essens setzte Onkel Publius seine Nichte in eine Sänfte und ließ sie gut bewacht nach Hause bringen, wie er es versprochen hatte. Seinen anderen Gast forderte er auf, noch ein Weilchen zu bleiben.
»Trink doch noch ein Glas ungewässerten Wein«, schlug er vor. »Doch zunächst mußt du mich entschuldigen. Ich habe so viel Wasser getrunken, daß ich einen ganzen Eimer vollpinkeln könnte.«
»Ich glaube, ich werde es dir gleichtun«, meinte sein Gast lachend.
»Nun, was hältst du von meiner Nichte?« fragte Rutilius Rufus, nachdem er einen köstlichen Wein aus der Toskana hatte bringen lassen.
»Du könntest ebensogut fragen, wie mir das Leben gefällt!«
»Du magst sie, hm?«
»Mögen? Natürlich. Ich bin verliebt in sie«, sagte der junge Caesar.
»Willst du sie heiraten?«
»Selbstverständlich! Halb Rom will sie heiraten.«
»Das ist richtig, Gaius Julius. Entmutigt dich das?«
»Nein. Ich werde bei ihrem Vater - ihrem Onkel Marcus, meine ich - um ihre Hand anhalten. Und ich werde versuchen, sie wiederzusehen und sie für mich zu gewinnen. Es ist einen Versuch wert. Ich denke, daß ich ihr nicht gleichgültig bin.«
Rutilius Rufus lächelte. »Ja, das denke ich auch.« Er erhob sich von seiner Liege. »Nun, Gaius Caesar, erzähle deinem Vater von deinen Plänen, gleich wenn du heimkommst, und suche morgen früh Marcus Aurelius auf. Mich mußt du jetzt entschuldigen, ich bin müde, und es ist Zeit für mich, ins Bett zu gehen.«
Obwohl er sich Rutilius Rufus gegenüber zuversichtlich gegeben hatte, hegte Gaius Caesar keine allzu großen Hoffnungen, als er auf dem Heimweg über Aurelia nachdachte. Aurelias Schönheit wurde weithin gerühmt. Viele seiner Freunde hatten um ihre Hand angehalten, einige hatte Marcus Cotta auf seine Liste gesetzt, andere nicht. Unter den erfolgreichen Bewerbern waren illustre Namen zu finden, viele waren bekannter oder reicher als er. Der Name Julius Caesar hatte zwar eine Aura, die selbst die Armut nicht zerstören konnte, doch wie konnte er hoffen, gegen Marcus Livius Drusus, den jungen Scaurus, Licinius Orator, Mucius Scaevola oder den älteren der Ahenobarbusbrüder zu bestehen? Julius Caesar wußte nicht, daß Aurelia die Erlaubnis erhalten hatte, ihren Gatten selbst auszuwählen, und so schätzte er seine Aussichten auf Aurelias Hand als sehr gering ein.
Zu Hause sah er Licht im Arbeitszimmer seines Vaters. Er kämpfte die Tränen hinunter, ging auf die halbgeöffnete Türe zu und klopfte.
»Herein«, sagte eine müde Stimme.
Der alte Gaius Julius Caesar lag im Sterben. Jeder im Hause wußte es, obwohl nicht darüber gesprochen wurde. Die Krankheit hatte mit Schluckbeschwerden begonnen, schleichend und heimtückisch, dann wurde die Stimme rauh, und schließlich setzten die Schmerzen ein. Zunächst waren sie noch erträglich, aber das blieb nicht lange so. Inzwischen waren sie unerträglich, und Gaius Julius Caesar konnte keine feste Nahrung mehr zu sich nehmen. Bis jetzt hatte er sich geweigert, einen Arzt kommen zu lassen, obwohl seine Frau Marcia ihn täglich darum bat.
»Vater?«
»Komm herein und leiste mir ein wenig Gesellschaft, mein Sohn«, flüsterte Caesar, der dieses Jahr sechzig geworden war, im Schein der Lampe jedoch wie achtzig wirkte. Er hatte so viel Gewicht verloren, daß seine Haut faltig an ihm herabhing. Sein Kopf sah aus wie der Schädel eines Skeletts, und dauerndes Leiden hatte seine einst so tiefblauen Augen ausgebleicht. Er streckte seinem Sohn die Hand entgegen und lächelte.
»Oh
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