MoR 01 - Die Macht und die Liebe
klar, daß es in Gallien kein Land für die Germanen gab. Die Allobroger hatten nicht vor, einen Teil ihres Gebietes an die Germanen abzutreten, die ihnen zahlenmäßig so weit überlegen waren. Außerdem hatten sie von den Häduern und den Ambarrern gehört, was für Verwüstungen die Germanen bei ihnen angerichtet hatten. So verschanzten sich die Allobroger in den Ausläufern ihrer geliebten Alpen und setzten den Germanen zu, wo immer sie konnten.
Ende Juni stießen die Germanen nördlich des Handelspostens Vienna in die römische Provinz Gallia Transalpina vor und zogen von dort ungehindert weiter - eine unübersehbare Masse, bestehend aus achthunderttausend Menschen, die sich die Rhône entlangwälzte. Dabei blieben sie auf dem Ostufer, denn hier waren die Ebenen weiter und sicherer und Angriffe der wilden Hochlandstämme Galliens unwahrscheinlicher.
Nachdem Caepio davon erfahren hatte, verließ er die Via Domitia bei Nemausus. Anstatt die Sümpfe des Rhônedeltas auf dem langen Damm zu überqueren, den Ahenobarbus gebaut hatte, zog er am Westufer der Rhône entlang und hatte so den Fluß zwischen sich und den Germanen. Es war inzwischen Mitte des Monats Sextilis.
Von Nemausus aus hatte Caepio einen Eilkurier mit einem neuen Brief an Scaurus nach Rom geschickt. Er erklärte, daß er keine Befehle von Mallius Maximus entgegennehmen werde, und damit Schluß. Der einzige Weg, den er danach einschlagen konnte, war der am Westufer der Rhône.
Am Ostufer der Rhône, ungefähr vierzig Meilen nördlich von dem Punkt, an dem die Via Domitia die Rhône überquerte, befand sich eine römische Handelsstadt von einiger Bedeutung, ihr Name war Arausio. Am Westufer, zehn Meilen nördlich von Arausio, ließ Caepio ein Lager für seine vierzigtausend Soldaten und seine fünfzehntausend Männer vom Troß errichten. Hier wartete er auf Mallius Maximus, der am anderen Ufer auftauchen sollte - und auf eine Antwort des Senats auf seinen letzten Brief.
Mallius Maximus kam Ende des Monats Sextilis, vor der Antwort des Senats. Er errichtete ein stark befestigtes Lager für fünfundfünfzigtausend Soldaten und dreißigtausend nichtkämpfende Männer direkt am Ufer der Rhône. Der Fluß war damit zugleich Teil der Verteidigungsanlage und Wasserreservoir.
Marcus Mallius betrachtete das Gebiet nördlich des Lagers als ideales Schlachtfeld, den Fluß als besten Schutzwall. Das war sein erster Fehler. Den zweiten beging er, als er die fünftausend Mann starke Kavallerie vom Lager abtrennte und dreißig Meilen nördlich stationierte. Der dritte Fehler bestand darin, daß er seinen fähigsten Legaten, Aurelius, als Kommandanten der Kavallerie abstellte. Alle diese Fehler ergaben sich aus Mallius Maximus’ vermeintlich großartigem Plan. Aurelius und die Kavallerie sollten den Vormarsch der Germanen allein durch ihre Anwesenheit bremsen, denn Mallius Maximus wollte die Germanen mit römischer Waffentechnik einschüchtern, er wollte verhandeln, nicht kämpfen. Er wollte die Germanen dazu bewegen, sich freiwillig ins Innere Galliens zurückzuziehen.
Alle früheren Schlachten zwischen Germanen und Römern hatten die Römer begonnen, und zwar immer dann, wenn die Germanen Anstalten machten, das römische Territorium friedlich zu verlassen. So hegte Mallius Maximus große Hoffnungen für seinen Plan, und die Hoffnungen waren nicht ganz unbegründet.
Als erstes jedoch mußte er Caepio dazu bewegen, vom Westufer zum Ostufer überzusetzen. Mallius Maximus war immer noch aufgebracht über Caepios beleidigenden Brief, den Scaurus im Senat verlesen hatte. So fiel sein schriftlicher Befehl an Caepio denkbar knapp und unfreundlich aus: Setze über den Fluß und begib Dich in mein Lager, und zwar sofort! Er ließ die Botschaft von ein paar Ruderern über den Fluß bringen, das war der direkteste Weg.
Caepio gab den Ruderern seine Antwort gleich mit. In derselben eisigen Kürze schrieb er, daß er, ein Patrizier aus dem Hause Servilius, von so einer Laus, wie ein anmaßender Händler es sei, keine Befehle entgegennehmen werde. Er werde bleiben, wo er sei, nämlich am Westufer.
Und so erging der nächste Befehl von Mallius Maximus:
Als Dein Vorgesetzter wiederhole ich meinen Befehl: Laß Dich mit Deiner Armee sofort, ohne die geringste Verzögerung, über den Fluß setzen. Das ist meine letzte Anweisung. Solltest Du Dich weiterhin widersetzen, werde ich gerichtliche Schritte gegen Dich in Rom einleiten. Die Anklage wird auf Hochverrat
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