MoR 01 - Die Macht und die Liebe
ist, die im Lager der Kavallerie waren. Er spricht zwar Latein, aber mit einem Akzent, den ich nicht verstehe. Möchtest du mit ihm reden? Vielleicht kannst du ihn als Kundschafter ausschicken.«
Cotta ließ den Germanen rufen, und was er von ihm erfuhr, änderte alles.
»Es gab einen fürchterlichen Streit, der Rat der Häuptlinge hat sich aufgelöst, die drei Stämme ziehen getrennt weiter«, berichtete der Mann.
»Du meinst, die Häuptlinge haben sich gestritten?« vergewisserte sich Cotta.
»Ja, Teutobod von den Teutonen und Boiorix von den Kimbern, zumindest am Anfang«, sagte der Dolmetscher. »Die Krieger zogen zurück, um die Wagen zu holen, und die Häuptlinge wollten die Beute verteilen. Es war viel Wein da, aus den drei Lagern der Römer, und die Häuptlinge tranken ihn. Dann sagte Teutobod, er habe einen Traum gehabt, der große Gott Ziu habe ihn im Traum besucht und ihm gesagt, wenn sein Stamm weiter nach Süden in römisches Gebiet ziehen sollte, würden ihm die Römer eine große Niederlage beibringen. Alle Krieger, alle Frauen und Kinder würden getötet oder in die Sklaverei geschickt. Also, sagte Teutobod, werde er die Teutonen durch das Gebiet der Gallier nach Spanien führen und nicht durch römisches Land. Boiorix war dagegen und warf Teutobod vor, er sei ein Feigling. Boiorix verkündete, daß die Kimbern nach Süden in römisches Gebiet ziehen würden, egal, was die Teutonen tun wollten.«
»Bist du ganz sicher?« fragte Cotta, der es kaum glauben konnte. »Woher weißt du das alles? Vom Hörensagen? Oder warst du dort?«
»Ich war dort, Dominus .«
»Warum warst du dort? Wie bist du hingekommen?«
»Sie haben mich mitgenommen und wollten mich zu den Kimbern bringen, denn zu ihnen gehöre ich. Aber sie waren alle sehr betrunken und achteten nicht auf mich. Ich wollte nicht mehr zu meinem Stamm zurück. Also versuchte ich so viel in Erfahrung zu bringen, wie ich konnte, und dann zu fliehen.«
»Na, erzähl schon weiter, Mann!« sagte Cotta ungeduldig.
»Nun, die anderen Häuptlinge mischten sich in den Streit zwischen Teutobod und Boiorix ein. Getorix, der Häuptling der Markomannen, der Cherusker und der Tiguriner, schlug vor, bei den Häduern und Ambarrern zu bleiben, dann hätte man mit den Römern gar nichts zu tun. Aber außer seinen eigenen Leuten war niemand dafür. Die teutonischen Häuptlinge schlugen sich auf die Seite von Teutobod, die kimbrischen auf die Seite von Boiorix. So endete die Versammlung gestern damit, daß jeder Stamm etwas anderes beschloß. Teutobod zieht mit den Teutonen nach Spanien. Getorix und seine Leute bleiben bei den Häduern und Ambarrern. Boiorix führt die Kimbern über die Rhône und will am Rande der römischen Gebiete entlangziehen anstatt mitten hindurch.«
»Darum also ist keine Spur von ihnen zu sehen!« sagte Cotta.
»Genau, Dominus . Sie werden nicht nach Süden in römisches Gebiet vordringen.«
Cotta suchte Marcus Antonius Meminius wieder auf und erzählte mit breitem Lächeln, was er erfahren hatte.
»Du mußt diese Neuigkeiten so schnell wie möglich verbreiten, Marcus Meminius! Wenn wir die Leichen auf dem Schlachtfeld nicht bald verbrennen, werden der Boden und das Wasser verseucht, und Krankheiten werden den Menschen von Arausio mehr antun als die Germanen.« Cotta starrte vor sich hin und biß sich auf die Lippen. »Wo ist Quintus Servilius Caepio?«
»Schon auf dem Weg nach Rom, Marcus Aurelius.«
»Was?«
»Er verließ Arausio mit seinem Sohn, weil er in Rom so schnell wie möglich Bericht erstatten wollte«, sagte Meminius verwirrt.
»Oh, ich wette, daß er das vorhat!« entgegnete Cotta grimmig. »Nimmt er den Landweg?«
»Natürlich, Marcus Aurelius. Ich habe ihm vier Maultiergespanne aus meinem Stall gegeben.«
Cotta erhob sich. Er war todmüde, doch bei dieser Nachricht strömte neue Kraft durch seine Glieder. »Den Bericht über die Geschehnisse bei Arausio werde ich überbringen! Und wenn ich mir Flügel wachsen lassen müßte, ich werde vor Quintus Servilius in Rom sein, das schwöre ich! Marcus Meminius, ich will das beste Pferd, das du auftreiben kannst. Bei Anbruch der Dämmerung werde ich nach Massilia aufbrechen.«
Ohne Eskorte und im Galopp machte sich Cotta auf den Weg. In Glanum wechselte er das Pferd und dann noch einmal in Aquae Sextiae. Sieben Stunden, nachdem er in Arausio aufgebrochen war, erreichte er Massilia. In der großen Hafenstadt, die vor Jahrhunderten von den Griechen gegründet worden war,
Weitere Kostenlose Bücher