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MoR 01 - Die Macht und die Liebe

MoR 01 - Die Macht und die Liebe

Titel: MoR 01 - Die Macht und die Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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ergriff.
    »Am Tag vor den Nonen des Oktober, patres conscripti , fand bei Arausio eine Schlacht statt«, sagte Cotta. Er mußte seine Stimme nicht erheben, denn im Senat war kein Laut zu vernehmen. »Die Germanen haben uns vernichtet. Achtzigtausend römische Soldaten sind tot.« Keine Ausrufe, kein Gemurmel, niemand regte sich. Die Stille im Senat war so tief wie in der Höhle der Sibylla von Cumae. »Wenn ich sage, achtzigtausend Soldaten, dann meine ich genau das. Daneben fielen vierundzwanzigtausend Sklaven und Männer vom Troß. Die Toten der Kavallerie sind ebenfalls nicht mitgerechnet.«
    Mit ausdrucksloser Stimme fuhr Cotta fort und berichtete den eingeschriebenen Vätern in allen Einzelheiten, was sich nach Ankunft der sechs Senatoren bei Arausio ereignet hatte. Er schilderte die fruchtlosen Auseinandersetzungen mit Caepio, die Unruhe und Verwirrung, die Caepio mit seiner Flut von Befehlen unter den oberen Rängen der Armee von Mallius Maximus ausgelöst hatte, er erzählte, wie manche Offiziere von Mallius Maximus sich auf die Seite von Caepio gestellt hatten, unter anderem Caepios Sohn. Er beschrieb, wie Aurelius und die Kavallerie so weit von der Armee entfernt aufgestellt worden waren, daß sich die Fußsoldaten und die Kavallerie nicht mehr gegenseitig zu Hilfe kommen konnten, »Fünftausend Soldaten, alle Männer vom Troß, der Kavallerie und alle Tiere in Aurelius’ Lager wurden getötet. Der Legat Marcus Aurelius Scaurus wurde von den Germanen gefangengenommen. Sie haben ihn bei lebendigem Leib verbrannt, eingeschriebene Väter, um ein Exempel zu statuieren. Wie mir ein Augenzeuge berichtete, starb er mannhaft und mit vorbildlicher Tapferkeit.«
    Viele Senatoren waren aschgrau geworden, denn die meisten hatten Söhne oder Brüder, Neffen oder Vettern in einer der Armeen. Einige Senatoren weinten leise, die Köpfe in ihre Togen gehüllt, andere hatten sich nach vorne gebeugt und verbargen ihre Gesichter in den Händen. Der Senatsvorsitzende Scaurus saß als einziger aufrecht, doch auf seinen Wangen brannten zwei rote Flecken, und der Mund war nur eine schmale, blasse Linie.
    »Jeden, der hier sitzt, trifft eine Mitschuld an dem, was geschehen ist«, fuhr Cotta fort. »Unter den Abgesandten des Senates befand sich kein Konsular, ich, ein einfacher ehemaliger Prätor, hatte als einziger von den sechs Senatoren ein kurulisches Amt inne. Wir waren Quintus Sertorius weder an Geburt noch an Rang ebenbürtig, und natürlich weigerte er sich, uns als gleichgestellt anzuerkennen. Statt dessen nahm er unsere Unterlegenheit, unseren Mangel an Einfluß, als Zeichen, daß der Senat hinter ihm stand. Und er hatte recht damit, patres conscripti! Es war euch nicht ernstlich daran gelegen, Quintus Servilius dem Gesetz und dem Befehl des Konsuls Mallius Maximus zu unterstellen, sonst wäre die Abordnung mit Konsularen vollgestopft gewesen! Ihr habt absichtlich fünf zweitrangige Senatoren und einen ehemaligen Prätor geschickt, und das zu Verhandlungen mit einem Befehlshaber, der dafür bekannt ist, daß er die Vorrechte von Geburt und Rang besonders hartnäckig verteidigt!«
    Kein Senator hob den Kopf, immer mehr verhüllten sich in ihre Togen. Doch Scaurus blieb aufrecht sitzen, die blitzenden Augen auf Cotta geheftet.
    »Die Kluft zwischen Quintus Servilius Caepio und Gnaeus Mallius Maximus verhinderte die Vereinigung ihrer beiden Armeen. Anstatt einer einzigen, großen Armee mit siebzehn Legionen und mehr als fünftausend Kavalleristen standen den Germanen zwei Armeen gegenüber, zwanzig Meilen auseinander, die kleinere näher am germanischen Heer, ohne Schutz durch die Kavallerie. Quintus Servilius Caepio hat mir selbst gesagt, daß er seinen Triumph nicht mit Gnaeus Mallius Maximus teilen wollte. Also stellte er seine Armee absichtlich so weit nördlich von Gnaeus Mallius auf, daß der Konsul an der Schlacht nicht teilnehmen konnte - denn es war ja seine, Quintus Caepios Schlacht.«
    Cotta holte rasselnd Atem, in der Totenstille des Senats klang es so laut, daß Rutilius Rufus auffuhr. Scaurus regte sich nicht. Metellus Numidicus, der neben Scaurus saß, hob langsam den Kopf aus der Toga und richtete sich auf. Sein Gesicht war wie versteinert.
    »Auch wenn man diese verhängnisvolle Kluft zwischen Quintus Servilius und Gnaeus Mallius außer acht läßt, eingeschriebene Väter, muß man ehrlicherweise sagen, daß die Schlacht gegen die Germanen gar nicht gewonnen werden konnte, weil weder Quintus Servilius noch

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