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MoR 01 - Die Macht und die Liebe

MoR 01 - Die Macht und die Liebe

Titel: MoR 01 - Die Macht und die Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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dem Versammlungsort der Komitien. Obwohl die versammelte Menge ungeheuer groß war, herrschte vollkommene Stille. Nur ein vielstimmiges, leises Schluchzen war zu hören. Rom hatte die entscheidende Schlacht verloren. Und Italien war den Germanen ungeschützt ausgeliefert.
    Bevor Cotta sich setzen konnte, fragte Scaurus: »Und wo sind die Germanen jetzt, Marcus Aurelius? Wie weit südlich von Arausio standen sie, als du abgereist bist? Und wie weit südlich können sie mittlerweile sein, jetzt, in diesem Augenblick?«
    »Ich kann es beim besten Willen nicht sagen, princeps senatus . Als die Schlacht vorüber war - sie dauerte nur eine Stunde - wandten sich die Germanen wieder nach Norden, anscheinend wollten sie die Wagen und ihre Frauen und Kinder holen, die nördlich des Lagers der Kavallerie geblieben waren. Als ich mich auf den Weg nach Rom machte, waren sie noch nicht zurückgekehrt. Ich sprach mit einem Germanen, der als Dolmetscher bei den Verhandlungen zwischen Marcus Aurelius Scaurus und den germanischen Häuptlingen dabeigewesen war. Die Germanen hatten ihn mitgenommen, aber weil er einer der Ihren war, geschah ihm nichts.
    Seinem Bericht zufolge brach unter den Germanen ein Streit aus, und sie haben sich - für den Moment jedenfalls - in drei Gruppen gespalten. Es scheint, als ob keine der Gruppen es wagen will, allein in römisches Gebiet einzudringen. Sie ziehen auf unterschiedlichen Wegen durch Gallia Narbonensis nach Spanien. Der Streit entstand allerdings vor allem durch den Wein, den sie aus den römischen Lagern mitgenommen hatten. Wie lange die Spaltung anhält, kann niemand voraussehen. Ich kann auch nicht mit Bestimmtheit sagen, ob der Dolmetscher die Wahrheit gesprochen hat. Oder auch nur einen Teil der Wahrheit. Er sagt, er sei geflohen und zu uns zurückgekommen, weil er nicht mehr unter den Germanen leben wollte. Aber es kann natürlich auch sein, daß die Germanen ihn zurückgeschickt haben, damit er unsere Ängste einschläfert und wir eine desto leichtere Beute für sie werden. Ich kann mit Sicherheit nur sagen, daß von den Germanen keine Spur zu sehen war, als ich aufbrach«, sagte Cotta und setzte sich.
    Rutilius Rufus erhob sich. »Das ist nicht der richtige Zeitpunkt für eine Debatte, eingeschriebene Väter. Und auch nicht für gegenseitige Beschuldigungen oder weitere Streitereien. Wir müssen handeln.«
    »Hört, hört!« war eine Stimme aus dem Hintergrund zu vernehmen.
    »Morgen haben wir die Iden des Oktobers«, fuhr Rutilius Rufus fort. »Das bedeutet, daß die Jahreszeit, in der Feldzüge unternommen werden können, so gut wie vorüber ist. Wir haben nicht mehr viel Zeit, wenn wir etwas dagegen tun wollen, daß die Germanen in unser Land eindringen können, wann es ihnen gerade paßt. Ich habe einen Plan entworfen, den ich euch nun vorlegen will, doch zunächst möchte ich euch eindringlich warnen. Bei dem leisesten Anzeichen einer Meinungsverschiedenheit, eines Streites oder einer Spaltung des Senats werde ich meinen Plan dem Volk vorlegen und mir die Zustimmung der Versammlung der Plebs holen. Damit nehme ich euch, patres conscripti , das Vorrecht, über die Verteidigungsmaßnahmen von Rom zu entscheiden. Das Verhalten von Quintus Servilius Caepio zeigt ganz genau, wo die größte Schwäche unserer senatorischen Ordnung liegt - nämlich darin, daß der Senat nicht zugeben will, daß durch Glück, Geschick und Schicksal gelegentlich auch Männer aus niedrigen Rängen aufsteigen können, Männer, die größere Begabungen haben als wir, die wir uns durch Geburt und Tradition berufen fühlen, das Volk von Rom zu regieren - und seine Armeen zu kommandieren.«
    Er hatte sich umgewandt und sprach nun in Richtung der offenen Türen. Seine hohe, kräftige Stimme schallte über den Versammlungplatz.
    »Wir werden jeden kriegstauglichen Mann Italiens brauchen, soviel steht fest. Von den capite censi durch alle Klassen und Stände hindurch bis hin zum Senat, jeden tauglichen Mann! Deshalb fordere ich euch auf, von der Versammlung der Plebs ein Gesetz verabschieden zu lassen, das ab sofort jedem Mann zwischen siebzehn und fünfunddreißig verbietet, Italien zu verlassen - gleichgültig, ob der Mann Römer oder Latiner oder Italiker ist, gleichgültig, ob er Italien auf dem Seeweg verlassen oder über den Arno oder den Rubikon nach Gallien gelangen will. Morgen sollen Kuriere im Galopp folgende Order an jeden Hafen unserer Halbinsel überbringen: Kein Schiff und kein Boot darf einen

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