MoR 01 - Die Macht und die Liebe
reicher als jetzt, nach Arausio. Und wie viele Soldaten, Zenturionen und nichtkämpfende Männer hat Gaius Marius verloren? Nun, patres conscripti , so gut wie keinen! Vor drei Jahren führte er sechs Legionen nach Africa, und er hat immer noch sechs Legionen. Sechs erfahrene Legionen mit Zenturionen!«
Er machte eine Pause und brüllte dann, so laut er konnte: »Gaius Marius ist die Lösung für das, was Rom jetzt am dringendsten braucht - eine Armee und einen fähigen Feldherrn!«
Die Zuhörer vor der curia hostilia konnten seine schmale Figur einen Moment lang erkennen, als er sich umwandte, um durch die Halle hindurch auf sein Podium zurückzukehren. Vor dem Podium blieb er stehen.
»Ihr habt gehört, was Marcus Aurelius Cotta berichtet hat. Die Germanen scheinen uneinig zu sein, im Augenblick sieht es sogar so aus, als hätten sie ihre Absicht aufgegeben, durch die Provinz Gallia Transalpina zu ziehen. Aber darauf können wir uns nicht verlassen, wir dürfen uns nicht zu weiteren Dummheiten hinreißen lassen. Von einer Tatsache jedoch können wir mit Sicherheit ausgehen: daß wir uns im kommenden Winter vorbereiten müssen. Als erstes müssen wir Gaius Marius als Prokonsul von Gallien verpflichten, und sein imperium darf bis zur vollständigen Niederwerfung der Germanen nicht aufgehoben werden.«
Es gab ein allgemeines Gemurmel, die Vorboten des Protestes. Dann war die Stimme von Metellus Numidicus zu hören.
»Gaius Marius soll den Befehl über Gallia Transalpina mit dem imperium proconsulare erhalten, und das unbeschränkt, auf Jahre hinaus?« fragte er ungläubig. »Nur über meine Leiche!«
Rutilius Rufus stampfte mit dem Fuß auf und schüttelte die Faust. »Oh, ihr Götter, da haben wir es wieder!« schrie er. »Quintus Caecilius, verstehst du denn immer noch nicht das Ausmaß unserer Misere? Wir brauchen einen Feldherrn wie Gaius Marius!«
»Wir brauchen seine Truppen«, widersprach der Senatsvorsitzende Scaurus laut, »aber wir brauchen nicht Gaius Marius selbst. Es gibt andere hier, die ebenso gut sind!«
»Du meinst natürlich deinen Freund Quintus Caecilius Schweinebacke, nicht wahr, Marcus Aemilius?« Rutilius Rufus schnaufte verächtlich. »Was für ein Unsinn! Zwei Jahre lang hat Quintus Caecilius in Africa herumgestümpert. Ich weiß es, denn ich war dort! Ich habe unter Quintus Caecilius gedient, und Schweinebacke ist ein passender Name für diesen Herrn, denn er versteht vom Kriegführen gerade so viel wie ein dickes Flußschwein! Ich habe auch unter Gaius Marius gedient, und vielleicht erinnern sich manche von euch noch daran, daß ich kein einfacher Soldat war! Ich hätte das Kommando in Gallia Transalpina haben sollen, nicht Gnaeus Maximus! Doch das ist inzwischen Vergangenheit, und ich will mich nicht in Beschuldigungen ergehen.
Ich sage euch, patres conscripti , Roms Notlage ist zu wichtig und zu dringend, als daß wir es uns leisten könnten, Rücksichten auf die Eitelkeiten einiger unserer hochrangigsten Mitglieder zu nehmen! Und ich sage euch, patres conscripti - euch allen, die ihr auf den vorderen Rängen des Hauses sitzt, und euch auf den hinteren Rängen -, es gibt nur einen Mann, der die Fähigkeiten besitzt, uns aus dieser Notlage herauszuführen, und das ist Gaius Marius! Kommt es denn darauf an, ob sein Name im Zuchtbuch verzeichnet ist? kommt es darauf an, ob er ein römischer Römer ist? Quintus Servilius Caepio ist ein echter römischer Römer, und seht euch an, wohin er uns gebracht hat! Wißt ihr, wohin er uns gebracht hat? Genau in die Mitte dieser Scheiße!«
Rutilius Rufus brüllte voller Wut und Angst, denn er war jetzt sicher, daß die Senatoren die Notwendigkeit seines Vorschlages nicht verstehen würden. »Ehrwürdige Mitglieder dieses Hauses, verehrte Kollegen! Ich bitte euch, laßt dieses eine Mal eure Vorurteile beiseite! Wir müssen Gaius Marius prokonsularische Befugnisse in Gallia Transalpina geben! Und wir müssen sie ihm so lange geben, bis die Germanen wieder nach Germanien zurückgedrängt sind!«
Und dieser letzte, leidenschaftliche Aufruf tat endlich die gewünschte Wirkung. Er hatte die Senatoren auf seiner Seite. Scaurus wußte es, und Metellus Numidicus wußte es auch.
Der Prätor Manius Aquillius erhob sich. Sein Rang war zwar hoch genug, doch die Geschichte seiner Familie war weniger von Heldentaten geprägt als von Taten, die aus Gier begangen worden waren. Sein Vater hatte ganz Phrygien für eine riesige Summe Goldes an König
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