Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
MoR 01 - Die Macht und die Liebe

MoR 01 - Die Macht und die Liebe

Titel: MoR 01 - Die Macht und die Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
Vom Netzwerk:
überfliegen, um sich mit dem Inhalt vertraut zu machen. Wenn Sulla dabeisaß, fiel es ihm immer schwer, sich durch die endlosen Schnörkel auf dem Papier zu kämpfen und sie in einzelne Worte aufzuteilen.
    Doch er hatte kaum die ersten Zeilen laut gelesen, da zuckte er zusammen, schauderte und sprang dann mit einem Satz auf. »Beim Jupiter!« schrie er und stürmte zu Sullas Arbeitsraum.
    Kalkweiß im Gesicht stürzte er in das Zimmer und fuchtelte mit der Schriftrolle wild in der Luft herum. »Lucius Cornelius! Ein Brief von Publius Rutilius!«
    »Was? Was ist denn?«
    »Hunderttausend Römer tot.« Marius pickte die wichtigsten Brocken heraus, soweit er schon gelesen hatte. »Achtzigtausend davon Soldaten... Die Germanen haben uns vernichtet... Dieser Narr Caepio weigerte sich, in das Lager von Mallius Maximus zu ziehen... Errichtete sein eigenes Lager zwanzig Meilen weiter nördlich von Mallius Maximus... Der junge Sextus Caesar schlimm verwundet, ebenso der junge Sertorius... Nur drei der vierundzwanzig Militärtribunen haben überlebt... Alle Zenturionen tot... Die Soldaten, die überlebten, waren die unerfahrensten, sind desertiert... Eine ganze Legion Marser tot, die Marser haben Protest beim Senat eingelegt... Sie verlangen riesige Entschädigungen, wollen notfalls klagen... Auch die Samniten in Unruhe... ebenfalls aufgebracht...«
    »Beim Jupiter!« keuchte Sulla und sank zurück auf seinen Stuhl.
    Marius las einen Augenblick lang so leise weiter, daß Sulla sein Gemurmel nicht verstehen konnte. Dann gab Marius ein sehr eigenartiges Geräusch von sich. Sulla dachte, Marius bekäme einen Schlaganfall, und sprang auf. Doch bevor er ihm zu Hilfe eilen konnte, hatte Marius die Sprache wiedergefunden.
    »Ich - bin - Konsul!« keuchte Gaius Marius.
    Sulla erstarrte mitten in der Bewegung, sein Miene spiegelte Fassungslosigkeit.
    »Beim Jupiter!« sagte er noch einmal.
    Marius begann, Rutilius’ Brief laut vorzulesen, und dieses Mal war es ihm egal, ob er über die Worte stolperte oder nicht.
    Noch am selben Tag bekam die Versammlung des Volkes diesen Brocken zu schlucken. Manius Aquillius hatte sich noch nicht einmal wieder hingesetzt, da stürmten schon alle zehn Volkstribunen aus dem Senat zur rostra auf dem Forum Romanum. Es sah so aus, als dränge sich halb Rom auf dem Versammlungsplatz der Komitien und die andere Hälfte auf dem unteren Forum Romanum. Die Senatoren folgten den Volkstribunen natürlich auf der Stelle, nur Scaurus und unser lieber Freund Schweinebacke blieben zurück und brüllten ein paar hundert leere Stühle an.
    Die Tribunen beriefen die Versammlung der Plebs ein, und im Handumdrehen waren zwei Beschlüsse gefaßt. Ich finde es immer wieder erstaunlich, daß es möglich ist, eine Idee im ersten Moment besser zu formulieren und vorzutragen als Monate später, wenn jeder seinen Senf dazugegeben hat. Das zeigt wieder einmal, daß viele Köche nur dazu geeignet sind, einen guten Gesetzesvorschlag in einen schlechten zu verwandeln.
    Cotta hat mir erzählt, Caepio sei förmlich nach Rom geflogen, weil er seine Version der Ereignisse als erste verbreiten wollte. Da Caepio beim Überschreiten der Stadtgrenze seinen Oberbefehl verlieren würde, blieb er vor den Toren der Stadt zurück. Sein Sohn und seine Agenten sollten für ihn wirken. Auf diese Weise, dachte er sich, wäre er sicher und könnte sein imperium wie einen schützenden Mantel um sich wickeln, bis seine Version der Geschehnisse bei Arausio öffentlich anerkannt wäre. Ich glaube, er spekulierte darauf - und das nicht ganz zu Unrecht -, daß seine Amtszeit verlängert werden würde und er sein imperium und seine Statthalterschaft in Gallia Transalpina so lange behalten könnte, bis der schlimmste Sturm sich gelegt hätte.
    Aber die Plebejer haben ihm die Suppe gründlich versalzen! Mit überwältigender Mehrheit erkannten sie ihm den Oberbefehl ab. Wenn er die Stadtgrenze von Rom erreicht, wird er feststellen, daß er so nackt ist wie Odysseus am Strand von Scherie. Das zweite plebiscitum , Gaius Marius, verpflichtete mich als obersten Beamten, Dich auf die Liste der Kandidaten für das Amt des Konsuls zu setzen - obwohl es Dir nicht möglich ist, zum Zeitpunkt der Wahl in Rom zu sein.
     
    »Das ist das Werk von Mars und Bellona, Gaius Marius!« rief Sulla. »Ein Geschenk der Kriegsgötter.«
    »Mars? Bellona? Nein! Das ist das Werk von Fortuna, Lucius Cornelius, deiner und meiner Freundin! Fortuna!«
    Marius las weiter.
    Da das Volk

Weitere Kostenlose Bücher