MoR 01 - Die Macht und die Liebe
Zenturien zur Blüte unseres Volkes zählen? Also schlage ich vor, daß die Männer der Zenturien entscheiden sollen! Entweder wählen sie Gaius Marius in absentia , oder sie wählen ihn nicht. Auf jeden Fall ist die Entscheidung über den Oberbefehl zu wichtig, als daß der Senat sie treffen könnte. Und sie ist auch zu bedeutend für die Versammlung der Plebs oder die Versammlung des ganzen Volkes. Ich sage euch, eingeschriebene Väter, die Entscheidung über den Oberbefehl im Krieg gegen die Germanen muß von den wichtigsten Männern Roms gefällt werden, von den Männern der Ersten und Zweiten Klasse, die in ihrer eigenen Versammlung entscheiden, in den comitia centuriata !«
Oh, hier haben wir also unseren Odysseus, dachte Rutilius Rufus. Das hätte ich nie erwartet! Und es gefällt mir auch nicht. Nun, auf jeden Fall hat er die Leute um Scaurus jetzt in der Hand. Und es hätte niemals geklappt, wenn ich mit der kniffligen Frage über Gaius Marius’ Befehlsgewalt vor die Volksversammlung gegangen wäre. Die ganze Sache wäre von den Volkstribunen geleitet worden, es hätte viel Geschrei und Gebrüll gegeben, möglicherweise sogar Handgreiflichkeiten. Für Männer wie Scaurus ist so ein lärmender Haufen eine gute Rechtfertigung, die Geschicke Roms selbst in die Hand zu nehmen. Und die Männer der Ersten und Zweiten Klasse? Nun, das ist ein ganz anderer Schlag. Schlau, sehr schlau, Manius Aquillius!
Erst etwas vorschlagen, was noch nie dagewesen ist - nämlich einen Mann zum Konsul wählen zu lassen, der sich nicht einmal in Rom befindet. Und dann auch Scaurus und seine Leute wissen lassen, daß die Frage nicht von ihnen entschieden werden soll, sondern von den besten Männern Roms! Und wenn die Erste und die Zweite Klasse Gaius Marius nicht wollen, müssen sie nur zwei andere Männer aussuchen, wenn sie ihn wollen, müssen sie nur für ihn und einen zweiten Kandidaten stimmen. Und ich könnte wetten, daß die Dritte Klasse nicht einmal Gelegenheit bekommt zu wählen! Damit wäre auch dem Anspruch auf Wahrung der Standesunterschiede Genüge getan.
Das wirkliche Problem ist diese Sache in absentia . Damit muß Manius Aquillius zur Versammlung der Plebs gehen, hier im Senat wird er dafür keine Zustimmung erhalten. Man braucht sich ja nur anzusehen, wie die Volkstribunen vor Schadenfreude auf ihren Bänken herumzappeln! Sie werden bestimmt kein Veto einlegen. Sie werden den Vorschlag mit der Wahl in absentia vor die Versammlung der Plebs bringen, und die Plebejer werden so verblüfft darüber sein, daß ihre zehn Tribunen einmal einig vor ihnen stehen, daß sie ein Gesetz verabschieden. Ein Gesetz, das es Gaius Marius ermöglicht, in Abwesenheit zum Konsul gewählt zu werden. Natürlich werden Scaurus und Metellus Numidicus sich auf die lex Villia annalis berufen, nach der kein Mann innerhalb von zehn Jahren zweimal zum Konsul gewählt werden darf. Aber sie werden auch damit nicht durchkommen. Scaurus und Metellus Numidicus und all die anderen werden den kürzeren ziehen.
Auf diesen Manius Aquillius sollte man aufpassen, überlegte Rutilius Rufus. Er wandte sich auf seinem Stuhl um und betrachtete ihn genau. Erstaunlich! Da sitzen sie seit Jahren fügsam und still wie kleine vestalische Jungfrauen auf ihren Bänken, und sobald sich die Gelegenheit bietet, werfen sie den Schafspelz ab und zeigen ihr wahres Gesicht. Du bist ein Wolf unter deinem Schafspelz, Manius Aquillius.
In der africanischen Provinz aufzuräumen, war ein Vergnügen, nicht nur für Gaius Marius, sondern auch für Lucius Cornelius Sulla. Zugegeben, die militärischen Pflichten standen jetzt hinter den Verwaltungsaufgaben zurück, doch beiden gefiel die Herausforderung, die damit verbunden war. Sie konnten die Provinz Africa völlig neu gestalten und die beiden angrenzenden Königreiche ebenfalls.
Gauda war der neue König von Numidien, ein Schwächling nach wie vor, doch sein Sohn, Prinz Hiempsal, zeigte außergewöhnliche Fähigkeiten. Marius vermutete, daß Hiempsal wohl bald die Regentschaft übernehmen würde. Bocchus von Mauretanien, der inzwischen wieder als offizieller Freund und Verbündeter in die Arme Roms zurückgekehrt war, hatte sein Königreich um große Gebiete, die vorher Teil des westlichen Numidiens waren, erweitert. Während früher der Mulucha die Ostgrenze seines Reiches gebildet hatte, verlief die Grenze jetzt nur fünfzig Meilen westlich von Rusicade und Cirta. Der größte Teil von Ostnumidien gehörte nun zur
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