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MoR 01 - Die Macht und die Liebe

MoR 01 - Die Macht und die Liebe

Titel: MoR 01 - Die Macht und die Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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Befehl widerrufen?« fragte Catulus Caesar höhnisch. »Du bist unverschämt genug, das zu tun.«
    Aber Sulla zuckte nur die Schultern und wandte sich ab. »Es ist dein Heer, Quintus Lutatius. Du kannst tun und lassen, was du willst.«
    Und Catulus Caesar hatte getan, was er tun wollte. Er hatte den jungen Marcus Aemilius Scaurus mit dem Bericht über dessen klägliches Versagen im Kampf nach Rom geschickt.
    »Ich gebe dir diesen Auftrag, Marcus Aemilius, weil ich mir keine schlimmere Strafe für einen Feigling von so hoher Abstammung vorstellen kann. Du überbringst deinem Vater die Nachricht von einem militärischen Fehlschlag und von deinem persönlichen Versagen«, sagte Catulus Caesar in gemessenem, priesterlichem Ton.
    Der junge Scaurus - blaß, betrübt und erheblich abgemagert, stand stramm vor seinem Feldherrn und vermied es, ihm direkt in die Augen zu blicken. Aber als Catulus Caesar ihm seinen Auftrag eröffnete, richtete er seine blassen Augen - ein Abbild der grünen Augen seines Vaters, nur bei weitem nicht so schön - widerstrebend auf Catulus Caesars hochmütiges Gesicht.
    »Bitte, Quintus Lutatius!« keuchte er. »Ich bitte dich, schicke jemand anderen! Ich kann meinem Vater nicht gegenübertreten, noch nicht!«
    »Es geht nicht um dich, Marcus Aemilius, es geht um Rom«, sagte Catulus Caesar kalt, und eine Welle der Verachtung stieg in ihm auf. »Du wirst im Galopp nach Rom reiten und dem Senatsvorsitzenden meine Botschaft überbringen. Du bist zwar ein Feigling im Kampf, aber du bist einer unserer besten Reiter, und dein Name ist hinreichend berühmt, so daß du auf der ganzen Strecke hervorragende Pferde bekommen wirst. Du brauchst keine Angst zu haben! Die Germanen stehen noch weit im Norden, du wirst im Süden also keiner Gefahr ausgesetzt.«
    Der junge Scaurus saß wie ein Mehlsack im Sattel. Meile um Meile legte er zurück, die Via Annia hinunter und dann die Via Cassia nach Rom, die kürzere, aber schwierigere Strecke. Sein Kopf fiel mit jedem Schritt seines Pferdes auf und nieder, die Zähne schlugen regelmäßig wie ein Herzschlag aufeinander, ein stetiges und auf eigenartige Weise beruhigendes Geräusch. Manchmal führte er Selbstgespräche.
    »Wenn ich nur etwas Mut besessen hätte, glaubst du nicht, daß ich mich dann dort zusammengerissen hätte?« fragte er den imaginären Zuhörer im Wind, auf der Straße und am Himmel. »Was kann ich dafür, daß ich keinen Mut habe, Vater? Woher kommt Mut? Warum habe ich keinen? Wie kann ich dir nur begreiflich machen, welchen Schmerz und welche Furcht, welches Entsetzen ich empfand, als ich diese furchtbaren Wilden schreiend und brüllend wie die Furien heranstürmen sah? Ich konnte mich nicht mehr rühren! Ich hatte keine Kontrolle mehr über meine Gedärme, von meinem Herzen ganz zu schweigen! Es schlug immer schneller, bis ich zusammenbrach und meinen Tod freudig annehmen wollte. Und dann wachte ich auf und mußte feststellen, daß ich noch lebte, immer noch voller Entsetzen - und meine Gedärme entleerten sich noch einmal! Und die Soldaten, die mich in Sicherheit gebracht hatten, wuschen sich im Fluß vor meinen Augen meine stinkende Scheiße von den Kleidern, mit einer Verachtung, einem Haß! Oh, Vater, was ist Mut? Wo ist mein Anteil an Mut? Vater, hör mich an! Ich muß es dir erklären! Du kannst von mir nicht etwas fordern, das ich nicht habe. Vater, hör mich an!«
    Aber der Senatsvorsitzende Marcus Aemilius Scaurus wollte nicht hören. Als sein Sohn mit den Botschaften des Catulus Caesar in Rom eintraf, befand er sich gerade im Senat, und als er nach Hause kam, hatte sich sein Sohn in seinem Zimmer eingeschlossen. Der junge Scaurus ließ seinem Vater durch den Verwalter ausrichten, daß er Botschaften des Konsuls mitgebracht habe und in seinem Zimmer warte, bis sein Vater sie gelesen habe und ihn rufen lasse.
    Scaurus las zuerst den offiziellen Bericht. Sein Gesicht verfinsterte sich, aber er war froh, daß wenigstens die Legionen gerettet waren. Dann las er Catulus Caesars privaten Brief, jedes einzelne der furchtbaren Wörter las er laut, und bei jedem Wort sank er ein Stück tiefer in seinen Stuhl, bis er auf die Hälfte seiner üblichen Größe geschrumpft schien. Tränen standen in seinen Augen und fielen auf das Papier, wo sie große nasse Flecken bildeten. Natürlich wußte er, was für ein Mann Catulus Caesar war, insofern überraschte ihn der Teil der Ereignisse nicht, und er war aufrichtig dankbar dafür, daß ein so starker

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