MoR 01 - Die Macht und die Liebe
Marsch, und zwar in Eilmarsch. Ruhig, diszipliniert und angesichts der bevorstehenden Schlacht in bester Stimmung, folgten die Römer in gebührendem Abstand den Germanen, die auf der Straße von Arelate nach Aquae Sextiae vorwärtsstolperten. Teutobod plante, sich bei Aquae Sextiae zum Meer hinzuwenden. Marius überquerte den Fluß Arc und bezog am Südufer Stellung, in einer ausgezeichneten Position auf einem zum Ufer hin stark abfallenden Kamm, der von sanft gewellten Hügeln umgeben war und von dessen höchstem Punkt man den gesamten Fluß überblicken konnte. Dort verschanzten sich die Römer.
Die dreißigtausend Ambronen, die noch immer den germanischen Zug anführten, erreichten die Furt und erblickten über sich ein römisches Lager, das von Helmen und Speeren zu wimmeln schien. Aber das war ein gewöhnliches Feldlager, leicht einnehmbar, und die Ambronen warteten gar nicht erst ab, bis sie durch die übrigen Stämme Verstärkung erhielten, sondern überquerten in aller Eile den seichten Fluß und griffen an.
Die römischen Legionäre stiegen einfach auf der gesamten Breite des Lagers über ihren Erdwall hinweg und setzten sich hügelabwärts in Bewegung, direkt auf die schreiende Horde undisziplinierter Barbaren zu. Zuerst warfen die Römer ihre pila , mit verheerender Wirkung, dann zogen sie die Schwerter und brachten ihre Schilde in Angriffsstellung. Wie die ineinandergreifenden Glieder eines riesenhaften Monstrums zogen die Legionen in die Schlacht. Kaum einem Germanen gelang der Rückzug über den Fluß, nach kurzer Zeit bedeckten dreißigtausend tote Ambronen den Abhang unterhalb des Kamms auf seiner ganzen Breite. Marius’ Heer erlitt fast keine Verluste.
Der Kampf war in weniger als einer halben Stunde vorüber. Die Römer schafften alle toten Ambronen zum Fluß hinunter und errichteten dort einen Wall aus Leichen. Die erbeuteten Schwerter, Fackeln, Schilde, Armreifen, Brustschilde, Messer und Helme häuften sie im römischen Lager auf. Die nächste Welle der Germanen würde beim Angriff zuerst den Wall ihrer eigenen Toten überwinden müssen.
Am anderen Ufer des Arc versammelten sich nach und nach immer mehr Teutonen, eine unüberschaubare Menge. Verwirrt und wütend starrten sie auf den hohen Wall aus toten Ambronen und auf das römische Lager, wo Tausende von Legionären in der Euphorie ihres Sieges jubelten, sangen, pfiffen und brüllten. Es war das erste Mal, daß ein römisches Heer eine große Zahl germanischer Feinde besiegt hatte.
Natürlich war das nur ein Vorspiel gewesen. Der richtige Kampf würde mit Sicherheit erst noch kommen. Marius unterstellte dreitausend seiner besten Soldaten dem Befehl von Manius Aquilius und schickte sie noch am Abend der Schlacht ein großes Stück flußabwärts. Dort sollten sie den Fluß überqueren und abwarten, bis der Kampf begann, um dann den Germanen auf dem Höhepunkt der Schlacht in den Rücken zu fallen.
Kaum ein Legionär schlief in dieser Nacht, so groß war die Erregung. Doch die Müdigkeit spielte keine Rolle, denn als der neue Tag graute, war auf germanischer Seite alles ruhig, nichts deutete auf Vorbereitungen zu einem Angriff hin. Die Passivität der Barbaren bereitete Marius Sorgen, denn er wollte auf keinen Fall die Entscheidung noch weiter hinauszögern. Er brauchte einen endgültigen, entscheidenden Sieg, und er war entschlossen, Kampf und Sieg herbeizuführen. Auf dem anderen Ufer lagerten die Teutonen, allein durch ihre gewaltige Zahl schien eine Befestigung überflüssig. Teutobod ritt auf seinem kleinen gallischen Pferd, begleitet von einem Dutzend seiner Häuptlinge, an der Furt auf und ab. Er war so groß, daß seine Füße fast den Boden streiften. Den ganzen Tag ritt er hin und her; zwei flachsblonde Zöpfe schlugen rhythmisch gegen seinen goldenen Brustpanzer, die goldenen Flügel auf seinem Helm glitzerten in der Sonne. Selbst über diese große Entfernung hinweg waren auf seinem glattrasierten Gesicht Furcht und Unentschlossenheit zu erkennen.
Am nächsten Morgen stand kein Wölkchen am Himmel. In der Hitze des Tages würde sich der süßliche Geruch der Gefallenen bald in dem ganzen Gebiet ausbreiten. Marius hatte nicht vor, so lange hierzubleiben, bis Seuchen seine Armee mehr bedrohen würden als der Feind.
»Jetzt«, sagte er zu Quintus Sertorius, »jetzt wagen wir es. Wenn sie nicht selbst angreifen wollen, muß ich eben ausrücken und die Schlacht einleiten. Damit opfern wir zwar den Vorteil, daß sie hügelaufwärts
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