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MoR 02 - Eine Krone aus Gras

Titel: MoR 02 - Eine Krone aus Gras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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auf seinem Landgut auf, da der Senat in Rom tagte. Livia Drusa hatte ihn schon mehrere Wochen nicht gesehen. Als die Tränen nach einer Weile versiegt waren, setzte sie sich an ihren Schreibtisch, legte sich ein Blatt Papier, Feder und Tinte zurecht und schrieb ihm einen Brief.
    Mein Mann ist zurückgekehrt und läßt mich holen. Wenn Du diese Zeilen liest, bin ich schon wieder im Haus meines Bruders in Rom, wo ich keinen Augenblick allein bin. Wie und ob wir uns je wiedersehen werden, weiß ich nicht.
    Aber wie soll ich ohne Dich leben? Geliebter, mein über alles Geliebter, wie soll ich ohne Dich leben? Dich nicht zu sehen — Deine Arme, Hände, Lippen nicht zu spüren — wie soll ich das ertragen? Aber er wird mich so genau überwachen, und in Rom bleibt sowieso nichts unbeobachtet, daß ich nicht glaube, daß wir uns je wiedersehen werden. Ich liebe Dich mehr, als ich Dir sagen kann. Denke daran. Ich liebe Dich.

    Am nächsten Morgen machte sie wie gewöhnlich einen Spaziergang. Der Dienerschaft hatte sie aufgetragen, die Vorbereitungen für den Umzug nach Rom bis zur ihrer Rückkehr um die Mittagszeit abzuschließen. Sonst legte sie die Strecke zu der kleinen Hütte in raschem Tempo zurück, aber heute ließ sie sich Zeit und genoß die Schönheit des Herbsttages. Jedem Baum, Stein und Busch auf ihrem Weg erzählte sie, daß sie abreisen müsse, und bat sie, sie nicht zu vergessen. In der kleinen, gekalkten Hütte angekommen, in der sie und Cato sich in den letzten zweiundzwanzig Monaten so oft getroffen hatten, sah sie sich noch einmal liebevoll und traurig um. Gegen jede Vernunft hatte sie gehofft, ihn hier anzutreffen, aber natürlich war er nicht da. Sie legte den Brief gut sichtbar aufs Bett. Angst brauchte sie keine zu haben, denn niemand würde es wagen, die Hütte zu betreten.
    Dann trat sie die Rückreise nach Rom an. Livia Drusa wurde in dem geschlossenen, zweirädrigen Wagen, den ihr Mann als das geeignete Fahrzeug für ihren Rücktransport ausgesucht hatte, tüchtig durchgeschüttelt und hin- und hergeworfen. Anfangs hatte sie darauf bestanden, den kleinen Caepio zu sich in den Wagen zu nehmen. Aber nach zwei der insgesamt fünfzehn Meilen übergab sie ihn einem starken Sklaven, der ihn tragen sollte. Lilla blieb ein wenig länger bei ihr im Wagen, aber dann rebellierte ihr Magen gegen die holprige Fahrt, und sie mußte immer öfter aus dem Fenster gehalten werden, bis auch sie den Wagen verließ. Livia Drusa wäre selbst nur zu gerne gelaufen, aber die Diener lehnten dieses Begehren entschieden ab. Der Herr habe ausdrücklich befohlen, daß sie im Wagen reisen müsse, bei geschlossenen Fenstern.
    Servilia besaß im Unterschied zu Lilla eine eiserne Konstitution und blieb im Wagen. Auf den Vorschlag, sie könne ruhig zu Fuß gehen, hatte sie hochmütig geantwortet, eine Patrizierin gehe nicht zu Fuß. Livia Drusa merkte, daß Servilia sehr aufgeregt war. Solche Einsichten verdankte sie nur dem engen Zusammenleben mit ihrer Tochter in Tusculum. Äußerlich ließ sich Servilia nämlich kaum etwas anmerken, Livia Drusa bemerkte lediglich ein ungewöhnliches Funkeln in ihren dunklen Augen und zwei Grübchen in den Winkeln ihres kleinen vollen Mundes.
    »Ich bin froh, daß du dich auf deinen Vater freust«, sagte sie und konnte sich gerade noch festhalten, als der Wagen wieder einmal gefährlich schaukelte.
    »Ich weiß, daß du dich nicht freust«, entgegnete ihre Tochter bissig.
    »Aber versteh doch! Ich war gern in Tusculum, und ich hasse Rom!«
    »Ach!« sagte Servilia.
    Und damit war das Gespräch beendet.
    Fünf Stunden später langte der Wagen samt seiner großen Eskorte vor dem Haus des Marcus Livius Drusus in Rom an.
    »Zu Fuß wäre ich schneller gewesen!« sagte Livia Drusa barsch zu dem Wagenlenker, als er sich mit seinem Gefährt davonmachte. Caepio erwartete sie bereits in dem von ihnen schon früher bewohnten Trakt. Als seine Frau zur Tür hereinkam, nickte er ihr beiläufig zu, und auch seine beiden Töchter, die hinter ihr ins Zimmer kamen, um den Vater zu begrüßen, bedachte er lediglich mit einem distanzierten und desinteressierten Kopfnicken. Auch als Servilia ihn mit einem herzlichen, aber scheuen Lächeln begrüßte, blieb er unbeugsam.
    »Ab mit euch beiden, und sagt der Amme, sie soll den kleinen Quintus bringen«, sagte Livia Drusa und schob ihre Töchter aus dem Zimmer.
    Das Kindermädchen wartete bereits vor der Tür. Livia Drusa nahm ihr den Jungen ab und brachte ihn selbst

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