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MoR 02 - Eine Krone aus Gras

Titel: MoR 02 - Eine Krone aus Gras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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daß ihr das erst jetzt einfiel, als das Problem sich bereits von selbst gelöst hatte. Ja, so war es — die Götter meinten es gut mit ihr. Und der Tod war unendlich besser als ein Leben mit Quintus Servilius Caepio.
    Die Atmosphäre im Haus hatte sich verändert, und dieser Umstand machte Drusus zu schaffen. Eigentlich hätte er sich über die Schwangerschaft seiner Frau freuen müssen, die für die beiden ein höchst unerwartetes und willkommenes Geschenk war, da sie längst jede Hoffnung auf ein eigenes Kind aufgegeben hatten. Aber er war wie auch Servilia Caepionis niedergedrückt von dem unerklärlichen Schatten, der über dem Haus lastete. Was war es? Konnte eine unglücklich verheiratete Frau wirklich so viel Trübsinn verbreiten? Die Diener waren jetzt stets still und ernst, während sie sonst ihren Geschäften im Haus sehr geräuschvoll nachgegangen waren, was ein ständiger Stein des Anstoßes gewesen war. Drusus war es seit seiner Kindheit gewohnt, gelegentlich von lautem Gelächter geweckt zu werden, das aus den Quartieren der Dienerschaft unterhalb des Atriums herauf drang. Aber das kam jetzt nicht mehr vor. Sie schlichen mit langen Gesichtern durchs Haus, beantworteten seine Fragen einsilbig und wischten Staub und putzten und schrubbten den ganzen Tag, als ob sie sich tagsüber total erschöpfen wollten, weil sie sonst nachts nicht schlafen konnten. Sogar Cratippus, sonst die Ruhe und Freundlichkeit selbst, hatte sich verändert.
    Eines Morgens gegen Jahresende winkte Drusus seinen Hausverwalter Cratippus her, noch bevor dieser dem Türsteher Anweisung geben konnte, die draußen versammelten Klienten hereinzulassen.
    »Komm bitte einen Augenblick mit«, sagte Drusus und zeigte auf sein Arbeitszimmer. »Ich muß mit dir sprechen.«
    Aber nachdem er die Tür für die anderen Besucher geschlossen hatte, wußte er nicht, was er sagen sollte. Er ging nervös im Zimmer auf und ab, während Cratippus stocksteif dastand und auf den Boden starrte. Schließlich blieb Drusus vor seinem Hausverwalter stehen und sah ihm ins Gesicht.
    »Cratippus, was ist los?« fragte er mit hilflos ausgebreiteten Händen. »Habe ich dich beleidigt? Warum sind die Diener so unglücklich? Habe ich etwas Wichtiges übersehen oder unterlassen? Wenn dem so ist, dann sage es mir bitte. Ich will nicht, daß auch nur einer meiner Sklaven durch meine oder die Schuld eines Familienmitglieds unglücklich ist. Aber vor allem möchte ich nicht, daß du unglücklich bist. Ohne dich funktioniert in diesem Haus nichts mehr.«
    Zu seinem Entsetzen brach Cratippus in Tränen aus. Drusus stand einen Moment lang völlig hilflos da. Dann zog er seinen Verwalter instinktiv auf eine Liege, setzte sich neben ihn, legte ihm den Arm um die bebenden Schultern und reichte ihm sein Taschentuch. Aber je freundlicher Drusus war, desto heftiger schluchzte Cratippus. Selbst den Tränen nahe, stand Drusus auf und holte Wein. Er überredete Cratippus, einen Schluck zu trinken, und tröstete, beruhigte und wiegte ihn so lange, bis dieser schließlich aufhörte zu weinen.
    »Oh Marcus Livius, es tut mir so weh!«
    »Was denn, Cratippus?«
    »Die Schläge.«
    »Die Schläge?«
    »Und ihre Schreie, sie sind kaum hörbar!« Cratippus brach erneut in Tränen aus.
    »Meinst du meine Schwester?« fragte Drusus scharf.
    »Ja.«
    Drusus fühlte, wie sein Herz schneller schlug, wie ihm das Blut ins Gesicht schoß und wie seine Hände zu zittern anfingen. »Rede! Im Namen unserer Hausgötter befehle ich dir, mir alles zu erzählen. «
    »Quintus Servilius. Er wird sie noch umbringen.«
    Drusus’ Hände zitterten jetzt nicht mehr, sondern zuckten sichtbar, und er holte tief Luft. »Mein Schwager schlägt sie?«
    »Ja, domine, ja!« Der Hausverwalter rang um Fassung. »Ich weiß, daß es mir nicht zusteht, darüber zu sprechen, und ich schwöre, ich hätte es auch nicht getan. Aber du hast mich so freundlich und besorgt gefragt, daß ich... ich... «
    »Beruhige dich Cratippus, ich bin dir nicht böse«, sagte Drusus zu seinem Verwalter. »Ich versichere dir, daß ich sehr froh bin, daß du mir die Wahrheit gesagt hast.« Er stand auf und half auch Cratippus auf. »Richte dem Türsteher aus, er soll meine Klienten wegschicken. Ich kann heute niemanden empfangen. Dann geh zu meiner Frau und sage ihr, sie soll ins Kinderzimmer gehen und mit den Kindern dort bleiben, weil ich heute jeden Bediensteten für eine bestimmte Aufgabe unten im Keller brauche. Du bürgst mir dafür, daß

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