MoR 02 - Eine Krone aus Gras
sie so gern in Tusculum gewohnt hat. Ich weiß, was sie dort getan hat. Ich weiß, warum der Junge rote Haare hat.«
Caepio ließ die Hand des Kindes los, als hätte er sich daran verbrannt. »Was meinst du damit, Servilia?« Offensichtlich ging ihm ein Licht auf. Er schüttelte seine Tochter wie wild. »Los, rede schon, Kind. Was meinst du damit?«
»Sie hatte einen Liebhaber, und ich weiß auch, was ein Liebhaber ist!« schrie seine Tochter. Sie riß den Mund so weit auf, daß ihre Zähne ganz zu sehen waren. »Meine Mutter hatte einen Liebhaber! Einen rothaarigen Mann. Sie trafen sich jeden Morgen in einem Haus auf seinem Land. Ich weiß alles, weil ich ihr gefolgt bin. Ich weiß, was sie zusammen auf dem Bett gemacht haben. Und ich weiß seinen Namen! Marcus Porcius Cato Salonianus! Er stammt von einem Sklaven ab! Ich habe mich bei meiner Tante Servilia Caepionis nach ihm erkundigt.« Sie drehte sich zu ihrem Vater um, und ihr Haß verwandelte sich in schiere Bewunderung. »Vater, wenn du sie nicht tötest, dann laß sie doch einfach hier! Sie ist nicht gut genug für dich! Sie verdient dich doch gar nicht! Sie ist nur eine Plebejerin, nicht eine Patrizierin wie du und ich! Wenn du sie hierläßt, sorge ich für dich, das verspreche ich dir!«
Drusus und Caepio standen wie versteinert da, während nun plötzlich Leben in Livia Drusa kam. Sie machte Kleid und Gürtel zu und ging auf ihre Tochter zu.
»Kleine, es ist nicht so, wie du denkst!« sagte sie sehr sanft und wollte ihrer Tochter über die Wange streicheln.
Die Hand wurde brutal zurückgeschlagen, und Servilia drückte sich an ihren Vater. »Ich weiß, was ich weiß! Du brauchst mir nichts zu sagen! Du hast unseren Namen, den Namen meines Vaters entehrt! Du verdienst zu sterben! Und der kleine Junge ist nicht der Sohn meines Vaters.«
»Der kleine Quintus ist der Sohn deines Vaters«, sagte Livia Drusa. »Er ist dein Bruder.«
»Er ist von dem rothaarigen Mann, er ist der Sohn eines Sklaven!« Sie zerrte an Caepios Tunika. »Vater, bitte bring mich hier weg!«
Caepio packte das Mädchen und stieß es so grob weg, daß es zu Boden fiel. »Was für ein Idiot ich doch war!« sagte er mit leiser Stimme. »Das Kind hat recht. Du verdienst den Tod. Wie schade, daß ich den Gürtel nicht noch öfter benutzt und härter zugeschlagen habe.« Mit geballten Fäusten stürzte er aus dem Zimmer, und seine Tochter rannte ihm heulend hinterher und flehte ihren Vater an, doch auf sie zu warten.
Drusus war mit seiner Schwester allem.
Seine Beine wollten ihn nicht mehr tragen. Er schleppte sich zu einem Stuhl und ließ sich fallen. Livia Drusa! Blut von seinem Blut! Seine einzige Schwester! Eine Ehebrecherin, eine meretrix. Und dennoch hatte er vor diesem grauenvollen Gespräch nie geahnt, wieviel sie ihm bedeutete. Auch hatte er nicht gewußt, wie sehr ihm ihr Leid zu schaffen machen würde, wie sehr er sich für sie verantwortlich fühlte.
»Es ist meine Schuld!« sagte er mit bebenden Lippen.
Sie ließ sich auf das Sofa sinken. »Nein, meine!«
»Ist es wahr? Hast du einen Liebhaber?«
»Ich hatte einen, Marcus Livius. Den ersten und einzigen. Ich habe ihn seit meiner Abreise aus Tusculum weder gesehen noch etwas von ihm gehört.«
»Aber das war nicht der Grund, warum Caepio dich verprügelt hat?«
»Nein.«
»Warum dann?«
»Nach Marcus Porcius konnte ich ihm nichts mehr vorspielen. Meine Gleichgültigkeit ihm gegenüber machte ihn rasend, deshalb schlug er mich. Und dann entdeckte er, daß es ihm Spaß machte, mich zu schlagen. Es — erregte ihn.«
Einen Moment lang sah Drusus aus, als ob er sich übergeben müsse, dann hob er die Arme und schüttelte sie ohnmächtig. »In was für einer Welt leben wir eigentlich!« rief er. »Livia Drusa, ich habe dir unrecht getan.«
Sie setzte sich auf den Klientenstuhl. »Du hast getan, was du für richtig hieltest«, entgegnete sie sanft. »Wirklich, Marcus Drusus, das ist mir schon seit Jahren klar. Ich liebe dich und deine Frau Servilia Caepionis um all der Freundlichkeit willen, die du mir seither hast zuteil werden lassen.«
»Meine Frau!« rief Drusus entsetzt. »Was wird sie zu all dem sagen?«
»Wir müssen soviel wie möglich vor ihr geheimhalten«, antwortete Livia Drusa. »Ihre Schwangerschaft verläuft bisher komplikationslos, und das dürfen wir nicht gefährden.«
Drusus war bereits aufgesprungen. »Bleib hier!« sagte er und eilte zur Tür. »Ich muß dafür sorgen, daß ihr Bruder sie nicht
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