Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

MoR 02 - Eine Krone aus Gras

Titel: MoR 02 - Eine Krone aus Gras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
Vom Netzwerk:
alle Diener hinuntergehen, auch du selbst. Aber vorher bittest du noch Quintus Servilius und meine Schwester zu mir in mein Arbeitszimmer.«
    Drusus nutzte die Zeit, um seine zuckenden Muskeln und überreizten Nerven zu beruhigen. Er sagte sich, vielleicht übertrieb Cratippus ja auch, vielleicht war ja alles gar nicht so schlimm, wie die Dienerschaft offensichtlich meinte.
    Aber ein kurzer Blick auf Livia Drusa, die als erste hereinkam, sagte ihm, daß nichts übertrieben war, daß alles stimmte. Er sah auf ihrem Gesicht nur Schmerz, Verzweiflung, Angst und grenzenloses Unglück, und er sah, daß sie innerlich tot war. Caepio, der hinter ihr kam, wirkte eher neugierig als besorgt.
    Drusus blieb stehen und forderte auch die beiden nicht auf, sich zu setzen. Statt dessen sah er seinen Schwager verächtlich an und sagte: »Es ist mir zu Ohren gekommen, Quintus Servilius, daß du meine Schwester körperlich mißhandelst.«
    Livia Drusa zuckte zusammen. Caepio richtete sich auf und sah Drusus brutal und verächtlich an.
    »Was ich mit meiner Frau mache, Marcus Livius, geht nur mich etwas an.«
    »Da irrst du dich«, antwortete Drusus so ruhig wie möglich. »Deine Frau ist meine Schwester und Mitglied einer großen und mächtigen Familie. Niemand in diesem Haus hat sie geschlagen, bevor sie heiratete. Ich werde auch heute nicht zulassen, daß sie geschlagen wird.«
    »Sie ist meine Frau. Damit untersteht sie meiner Obhut und nicht deiner. Ich kann mit ihr machen, was ich will.«
    »Deine Bindung an Livia Drusa beruht auf eurer Ehe«, erklärte Drusus mit sich verfinsternder Miene. »Meine hingegen beruht auf Blutsverwandtschaft. Und diese wiegt schwerer. Ich werde nicht zulassen, daß du meine Schwester schlägst.«
    »Du hast mir doch damals erklärt, es ginge dich nichts an, wie ich sie bestrafe. Und damit hattest du recht! Es geht dich wirklich nichts an.«
    »Wenn eine Ehefrau geschlagen wird, dann geht das alle an. Es ist das Niederträchtigste, was es gibt.« Drusus sah seine Schwester an. »Bitte zieh dich aus, Livia Drusa. Ich möchte sehen, was dieser Frauenschänder angerichtet hat.«
    »Das wirst du nicht tun, Frau!« schrie Caepio hell empört. »Du wirst dich nicht vor einem anderen Mann als deinem Ehemann entblößen. Das dulde ich nicht!«
    »Zieh dich aus, Livia Drusa«, wiederholte Drusus.
    Livia Drusa machte keine Anstalten zu gehorchen, und sagte nichts.
    »Meine Liebe, du mußt es tun«, sagte Drusus sanft und trat zu seiner Schwester. »Ich muß es sehen.«
    Als er den Arm um sie legte, schrie sie auf und entzog sich ihm. Drusus faßte sie so vorsichtig wie möglich an und machte ihr Kleid an den Schulterspangen auf.
    Ein Mann, der der Klasse der Senatoren angehörte, verachtete nichts mehr als einen Mann, der seine Frau schlägt. Caepio wußte das, aber er fand nicht den Mut, Drusus Einhalt zu gebieten. Das Kleid fiel herunter, und Drusus sah bläulich-violette und gelb verfärbte Stellen von unzähligen alten Schwielen und Schrammen auf dem Oberkörper seiner Schwester. Drusus löste den Gürtel, und Kleid und Unterkleid fielen ganz herunter, und jetzt sah er, daß ihre Schenkel dick geschwollen waren und das Fleisch tiefrot, violett und aufgeplatzt. Offensichtlich hatte sich Caepio als letztes an ihren Schenkeln vergangen. Drusus zog ihr sanft wieder die Kleider über die Schultern, nahm ihre kraftlose Hand und legte sie um die Kleider. Dann wandte er sich an Caepio.
    »Verlasse mein Haus!« befahl Drusus mit versteinertem Gesicht.
    »Meine Frau ist mein Eigentum«, sagte Caepio. »Ich kann von rechtswegen mit ihr machen, was ich für richtig halte. Ich kann sie sogar töten.«
    »Deine Frau ist meine Schwester, und ich werde nicht zulassen, daß eine Livia Drusa mißhandelt wird, so wie ich selbst nicht einmal das dümmste und störrischste meiner Arbeitstiere behandeln würde«, sagte Drusus. »Verlasse mein Haus!«
    »Wenn ich gehe, geht sie mit mir!«
    »Sie bleibt hier, du Frauenschänder!«
    Plötzlich hörten sie hinter sich eine schrille Kinderstimme aufgeregt kreischen. »Sie hat es nicht anders verdient! Sie hat es nicht anders verdient!« Die kleine Servilia rannte zu ihrem Vater und sah zu ihm auf.
    »Schlag sie nicht, Vater, töte sie!«
    »Geh zurück ins Kinderzimmer, Servilia!« sagte Drusus müde.
    Aber Servilia klammerte sich an Caepios Hand, stellte sich breitbeinig vor ihrem Onkel und funkelte ihn böse an. »Sie verdient es, getötet zu werden!« schrie sie. »Ich weiß, warum

Weitere Kostenlose Bücher