MoR 02 - Eine Krone aus Gras
sich gehört.«
Sulla gab auf. »Ich bin sicher, daß du das schaffst, Marcus Tullius.«
»Natürlich, tata«, sagte der junge Sulla später, als er mit seinem Vater allein war und ihn deshalb wieder mit dem kindlichen tata ansprechen konnte, »natürlich weiß ich, daß er ein furchtbarer Aufschneider ist, aber irgendwie mag ich ihn trotzdem. Du nicht?«
»Ich finde ihn fürchterlich, mein Sohn, aber ich gebe zu, daß er trotzdem ganz nett ist. Ist er wirklich so gut, wie die Leute behaupten?«
»Hör ihm einmal zu und urteile selbst, tata.«
Sulla schüttelte entschieden den Kopf. »Nein danke! Diese Genugtuung werde ich diesem aufschneiderischen Pilzkopf aus Arpinum nicht geben!«
»Der Senatsvorsitzende Scaurus ist von ihm wirklich stark beeindruckt«, sagte der junge Sulla und lehnte sich mit einer Selbstverständlichkeit an seinen Vater, die der arme junge Cicero nie kennen würde. Der junge Cicero fand ohnehin allmählich heraus, daß sein Vater viel zu sehr als Landedelmann galt, um den römischen Adel zu beeindrucken. Manchmal wurde er sogar als eine Art Verwandter von Gaius Marius geringgeschätzt. Grauenhaft! Infolgedessen zog sich der junge Cicero zunehmend von seinem Vater zurück. Er wußte genau, daß es für seine Karrierepläne nur nachteilig war, mit Gaius Marius in Verbindung gebracht zu werden.
»Scaurus hat im Augenblick zu viele andere Sorgen«, erklärte Sulla seinem Sohn mit einer gewissen Befriedigung, »als daß er sich auch noch um den jungen Marcus Tullius Cicero kümmern könnte.«
Das war keine Übertreibung. Als Senatsvorsitzender war Marcus Aemilius Scaurus normalerweise anwesend, wenn ausländische Botschafter vorstellig wurden, und er war auch für auswärtige Beziehungen zuständig,, soweit sie nicht mit einem Krieg zu tun hatten. Die meisten Senatoren betrachteten andere Länder als römische Provinzen und hielten sie deshalb nicht für wichtig genug, ihre Zeit dafür zu opfern. Der Senatsvorsitzende fand es deshalb sehr schwierig, Mitglieder für Kommissionen zu finden, bei denen keine Auslandsreisen auf Staatskosten anfielen; nur wenige Senatoren waren bereit, sich dafür zur Verfügung zu stellen. So kam es, daß der Senat zehn Monate brauchte, um seine Antwort auf die Beschwerde des Sokrates zu formulieren. Sokrates war der jüngere Sohn des verstorbenen Königs von Bithynien. Die Antwort würde Sokrates wahrscheinlich nicht gefallen, da in ihr König Nikomedes III. bestätigt und Sokrates’ Thronanspruch deutlich zurückgewiesen wurde.
Noch bevor diese Angelegenheit erledigt werden konnte, mußte sich Scaurus Princeps Senatus mit einem weiteren Streit über einen ausländischen Thron befassen. Königin Laodike und König Ariobarzanes von Kappadokien trafen in Rom ein. Sie waren vor König Tigranes von Armenien und dessen Schwiegervater König Mithridates von Pontos geflohen. Das Volk von Kappadokien wollte nicht mehr von einem Mann regiert werden, der ein Sohn des Mithridates und Enkel des Gordios war und der als Marionette des Mithridates von Pontos galt. Seit der Abreise Gaius Marius’ aus Mazaca hatte das Volk deshalb nach einem echten kappadokischen König gesucht. Zunächst hatte man sich für einen Syrer entschieden, doch dieser war gestorben — einem Gerücht zufolge war er von Gordios vergiftet worden. Die Kappadokier gingen immer weiter in ihren Stammbäumen zurück und fanden schließlich einen kappadokischen Adligen, der unzweifelhaft königliches Blut in den Adern hatte, einen gewissen Ariobarzanes.
Dessen Mutter — die natürlich Laodike hieß — war eine Base des Ariarathes, des letzten Königs, der noch wahrhaft kappadokischer Abstammung gewesen war. Der Kind-König Ariarathes Eusebes wurde abgesetzt und mußte mit seinem Großvater Gordios nach Pontos fliehen. Mithridates wußte, daß er dank Gaius Marius von Rom aufmerksam beobachtet wurde. Er griff deshalb nicht direkt in den Thronstreit ein, sondern ließ seine Interessen durch Tigranes von Armenien vertreten. Tigranes fiel in Kappadokien ein, und er wählte auch den neuen kappadokischen König aus. Allerdings wählte er diesmal keinen Sohn des Mithridates. Armenien und Pontos hatten sich darüber verständigt, daß sich ein Kind auf den kappadokischen Thron nicht würde halten können. Deshalb wurde Gordios selbst neuer König von Kappadokien.
Aber Laodike und Ariobarzanes konnten fliehen. Im Frühjahr des Jahres, in dem Sulla Stadtprätor war, trafen sie in Rom ein. Ihre Anwesenheit stellte
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