MoR 02 - Eine Krone aus Gras
Krieg am anderen Ende des Mittelmeers verwickelt werden, der es zehn Jahre lang beschäftigen würde? Wenn Rom dann wieder nach Osten blicken könnte, wäre die pontische Vorherrschaft längst gefestigt, und Rom hätte keine andere Wahl, als seine Aufmerksamkeit auf den Westen zu konzentrieren. Auf die Länder, in denen die Sonne unterging.
»Gordios, ich überlasse es dir herauszufinden, wie dieser Lucius Cornelius Sulla in Kilikien vorgeht. Unterrichte mich über jedes kleine Detail! Nichts darf dir entgehen. Ist das klar?«
Gordios erschauerte. »Ja, Allmächtiger.«
»Gut!« Der König gähnte. »Ich bin hungrig. Laßt uns essen.« Aber als Gordios sich der Gruppe anschließen wollte, die zum Speisesaal ging, bellte der König: »Du nicht! Du kehrst sofort nach Mazaka zurück. Kappadokien darf jetzt keinen Augenblick mehr ohne König sein.«
Zu Mithridates’ Unglück stand das Wetter auf Sullas Seite. Der Paß durch die Kilikische Pforte war vergleichsweise niedrig, und es lag weniger Schnee als auf den drei Pässen, die Mithridates’ fünfzigtausend Mann überwinden mußten, um von ihrem Lager bei Zela zum Fuß des Mons Argaeus zu gelangen. Noch bevor der König die Gebirgsbarrieren überwinden konnte, traf von Gordios die Nachricht ein, Sulla habe sich mit seinem Heer in Bewegung gesetzt. Als der König von Zela aufbrach, traf die Nachricht ein, Sulla sei in Kappadokien angekommen. Sulla hatte sein Lager ungefähr vierhundert Stadien oder fünfzig Meilen südlich von Mazaka und ebenso viele Stadien westlich der kappadokischen Stadt Komana errichtet und schien dort bleiben zu wollen. Diese Nachricht ließ den König aufatmen.
Dennoch trieb er sein Heer auf dem Marsch durch das unwegsame Gelände zu höchster Eile an. Die Mühsal von Mensch und Tier war ihm gleichgültig; seine Offiziere standen stets mit der Peitsche bereit, die sich mühsam vorankämpfenden Soldaten anzutreiben, und sie stießen die Hoffnungslosen mit ihren Stiefeln aus dem Weg. Kuriere waren nach Osten zu der armenischen Stadt Artaxata gesandt worden. Sie sollten den Schwiegersohn des Königs, Tigranes, warnen, daß die Römer in Kilikien seien und ein römischer Statthalter sich in Kappadokien aufhalte. Tigranes hielt es daraufhin für das beste, seine parthischen Herren über diese Tatsache in Kenntnis zu setzen und auf weitere Anweisungen aus Seleukeia am Tigris zu warten, bevor er etwas unternahm. Mithridates hatte ihn nicht um Hilfe gebeten, aber Tigranes hatte das Kräfteverhältnis längst abgeschätzt. Er jedenfalls war keineswegs begierig darauf, sich den Römern entgegenzustellen, ob Mithridates dies nun vorhatte oder nicht.
Der König von Pontos erreichte den Halys, überquerte ihn und errichtete sein Lager neben dem der anderen fünfzigtausend Mann, die Mazaka bereits besetzt hatten. Hier traf er Gordios, der es kaum erwarten konnte, ihm die unglaublichste Nachricht mitzuteilen.
»Der Römer baut eine Straße!«
Der König erstarrte. »Eine Straße?«
»Über die Kilikische Pforte, großer König.«
»Da gibt es doch schon eine Straße.«
»Ich weiß, ich weiß!«
»Warum baut er dann noch eine?«
»Das weiß ich nicht!«
Die vollen roten Lippen des kleinen Mundes rundeten sich, wölbten sich nach außen, wurden wieder hereingesogen — Mithridates wußte nicht, wie sehr er in solchen Augenblicken einem Fisch glich, und natürlich hatte nie jemand den Mut gehabt, ihm dies zu sagen. Dann zuckte der König ratlos die Achseln. »Sie bauen gerne Straßen. Ich glaube, sie vertreiben sich damit die Zeit.« Sein Gesicht nahm einen häßlichen Ausdruck an. »Schließlich sind sie viel eher angekommen als ich!«
»Die Straße, größer König«, warf Neoptolemos vorsichtig ein.
»Was ist mit ihr?«
»Es könnte sein, daß Lucius Cornelius Sulla die Straße verbessert. Je besser die Straße ist, desto schneller kann er sein Heer bewegen. Deshalb bauen die Römer immer gute Straßen.«
»Aber er ist bereits über die Straße gezogen, ohne sie auszubauen! Warum tut er das jetzt, nachdem er sie benutzt hat?« Mithridates stand vor einem unlösbaren Rätsel. Männer waren beliebig verfügbar; mit einer Peitsche konnte man sie durch jedes Gebiet jagen, solange auch nur die Spur eines Fußpfades zu erkennen war. Warum sollte sich jemand damit abgeben, den Weg so leicht wie einen Spaziergang durch eine Stadt zu machen?
»Ich glaube«, sagte Neoptolemos mit unerschöpflicher Geduld, »daß der Römer die Straße für den Fall
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