MoR 02 - Eine Krone aus Gras
Publius Rutilius Rufus eintraf, der im September geschrieben worden war.
Ich hoffe, Lucius Cornelius, daß Dich dieser Brief noch rechtzeitig erreicht. Und ich hoffe, daß Du ein besseres Jahr erlebt hast als ich. Mehr davon später.
Ich schreibe so gern Männern, die in der Ferne weilen, um ihnen von den Ereignissen in Rom zu berichten! Wie mir das fehlen wird! Und wer wird mir schreiben? Mehr davon später.
Im April wählten wir die beiden neuen Zensoren, Gnaeus Domitius Ahenobarbus Pontifex Maximus und Lucius Licinius Crassus Orator. Zwei Männer, wie du siehst, die überhaupt nicht zusammenpassen. Ein Jähzorniger und ein Gleichmütiger, der eine kurz gefaßt, der andere weitschweifig — Hades und Zeus — Harpyie und Muse. Ganz Rom versucht, die treffendste Beschreibung für das unvollkommenste Paar der Welt zu finden. Natürlich hätten Crassus Orator und mein verehrter Quintus Mucius Scaevola Zensoren werden sollen, aber Scaevola wollte sich nicht aufstellen lassen. Er sagte, er habe zuviel zu tun. Er ist wohl eher zu vorsichtig! Nach all dem Lärm, den die letzten Zensoren gemacht hatten, und vor allem nach der lex Licinia Mucia schien es Scaevola wohl klüger, sich aus der Sache herauszuhalten.
Natürlich gibt es die Sondergerichte, die unter der lex Licinia Mucia eingerichtet worden waren, jetzt nicht mehr. Es war Gaius Marius und mir gelungen, sie früher im Jahr auflösen zu lassen. Wir begründeten es damit, daß die Gerichte mehr kosteten, als sie einbrachten, und glücklicherweise waren alle dieser Meinung. Die Gesetzesänderung ging ohne Zwischenfälle durch den Senat und die Volksversammlung. Aber es blieben Narben zurück, Lucius Cornelius, und zwar furchtbare. Gehöfte und Villen, die den beiden verhaßtesten Richtern gehörten, nämlich Gnaeus Scipio Nasica und Catulus Caesar, wurden in Brand gesteckt, und auf den Gütern anderer Richter wurden Felder und Weinberge zerstört und Wasserbrunnen vergiftet. Im ganzen Land gibt es eine neue Beschäftigung, die nachts ausgeübt wird: einen römischen Bürger zu finden und ihn halbtot zu prügeln. Natürlich gibt niemand zu — nicht einmal Catulus Caesar —, daß die lex Licinia Mucia mit all diesen privaten Schicksalsschlägen etwas zu tun hat.
Quintus Servilius Caepio, dieser abscheuliche junge Mann, hatte tatsächlich die Frechheit, den Princeps Senatus .Scaurus vor Gericht zu zitieren. Die Anklage lautete, er habe gewaltige Bestechungsgelder vom König von Pontos angenommen. Du kannst Dir sicherlich vorstellen, was dann los war. .Scaurus erschien am Ort des Gerichts auf dem unteren Forum, aber nicht, um sich zu verteidigen! Er marschierte geradewegs zu Caepio und schlug ihn auf die linke Wange, dann auf die rechte — klatsch, klatsch! Ich schwöre Dir, Scaurus scheint in solchen Augenblicken einen halben Meter größer zu werden. Er schien über Caepio hinauszuwachsen, obwohl in Wirklichkeit beide etwa gleich groß sind.
» Wie kannst du es wagen!« bellte er. »Wie kannst du es wagen, du schleimiger, elender Wurm! Zieh diese lächerliche Anklage sofort zurück, oder du wirst dir wünschen, nie geboren worden zu sein! Du, ein Servilius Caepio, Mitglied einer Familie, die berühmt dafür ist, daß sie das Gold liebt — du wagst es, mich, Marcus Aemilius Scaurus, Princeps Senatus, zu beschuldigen, Gold angenommen zu haben? Ich scheiße auf dich, Caepio!«
Und er marschierte über das Forum davon, begleitet von donnerndem Jubel, Applaus und Pfiffen, was ihn aber alles völlig kalt ließ. Caepio stand ratlos da, die Spuren von Scaurus’ Hand auf beiden Wangen, und versuchte krampfhaft, den Blicken der Ritter auszuweichen, aus denen die Geschworenen hätten gewählt werden sollen. Nach Scaurus’ Auftritt hätte Caepio nicht einmal mehr mit eindeutigen Beweisen etwas ausrichten können, Scaurus wäre von den Geschworenen trotzdem freigesprochen worden.
»Ich ziehe meine Anklage zurück!« sagte Caepio also und verkroch sich nach Hause.
,So ergeht es allen, die Marcus Aemilius Scaurus anklagen wollen. Scaurus ist ein Schauspieler ohnegleichen und der Inbegriff des rechtschaffenen Mannes! Ich gebe zu, daß ich mich darüber freute. Caepio macht Marcus Livius Drusus bereits so lange Schwierigkeiten, daß es schon ein fester Bestandteil des Lebens auf dem Forum geworden ist. Offenbar ist Caepio der Meinung, mein Neffe hätte sich auf seine Seite stellen müssen, als die Affäre zwischen meiner Nichte und Cato Salonianus aufflog. Als er es nicht
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