MoR 02 - Eine Krone aus Gras
ernst. Ich werde seither ständig beobachtet. Die einzige Nachricht, die mich wieder aufheiterte, war, daß er Orobazos und Nabopolassar hinrichten ließ — weil sie den Römer für größer als ihren eigenen König gehalten hatten. Aber er will den Vertrag einhalten und hat in diesem Sinn nach Rom geschrieben. Wie es scheint, bedauert der alte König, daß er Lucius Cornelius Sulla nicht selbst begegnet ist. Wenn er ihm begegnet wäre, hätte sein Henker vielleicht noch mehr Arbeit bekommen. Schade, daß er in Ekbatana blieb!
Die Zukunft wird über unser Schicksal entscheiden, mein teuerster und verehrtester Schwiegervater. Vielleicht kommt Lucius Cornelius Sulla nie mehr nach Osten, vielleicht gilt seine Größe nur im Westen. Und vielleicht kann ich eines Tages den Titel König der Könige tragen. Der Titel bedeutet Dir nichts, wie ich weiß. Aber für jemanden, der an den Höfen in Ekbatana, Susa und Seleukeia aufgewachsen ist, bedeutet er alles.
Meiner lieben Frau, Deiner Tochter, geht es gut. Auch unsere Kinder sind gesund. Ich wünschte, ich könnte Dir mitteilen, daß es mit unseren Plänen zum besten steht. Aber dem ist nicht so. Jedenfalls vorerst nicht.
Lucius Cornelius Sulla erhielt seine Kopie des Vertrages zehn Tage nach der Unterredung auf dem Podium. Er wurde eingeladen, an der Enthüllung des Monuments an dem großen, milchigblauen Fluß teilzunehmen. Sulla kleidete sich in seine toga praetexta und versuchte, die Sommersonne zu ignorieren, die seiner Gesichtshaut stark zusetzte, denn bei dieser Zeremonie konnte er seinen Strohhut nicht aufsetzen. Er konnte sich nur gründlich einölen und hoffen, daß er während der vielen Stunden in der Sonne keinen allzu starken Sonnenbrand bekommen würde.
Natürlich bekam er einen Sonnenbrand. Sein Sohn lernte die Lektion ebenfalls und schwor, immer einen Hut zu tragen. Seinem Vater war elend zumute. Seine Haut warf Blasen, schälte sich, warf erneut Blasen und schälte sich erneut. Kostbares Wasser trat aus den heilenden Hautschichten aus, und Sulla kratzte sich dauernd, wodurch die Wunden zu eitern begannen. Als er ungefähr vierzig Tage später mit seinem kleinen Heer Tarsos erreichte, begann seine Haut endlich zu heilen, und der Juckreiz verschwand. Morsimos fand auf dem Markt am Pyramus-Fluß eine süßriechende Salbe. Sobald sich Sulla zum ersten Mal damit eingeschmiert hatte, hörten die Qualen auf. Und seine Haut heilte ohne Narben, was für den eitlen Mann besonders wichtig war.
Sulla erzählte keinem Menschen von der Prophezeiung des Nabopolassar, nicht einmal seinem Sohn. Und von den Goldbeuteln erzählte er auch niemandem. Zu dem Goldbeutel, den er vom König von Osroene geschenkt bekommen hatte, waren nämlich noch fünf weitere als Geschenke des Parthers Orobazos gekommen. Die Münzen trugen das Profil König Mithridates II. von Parthien. Mithridates von Parthien war ein stiernackiger Mann mit einer Nase wie ein Angelhaken. Sein Haar war sorgfältig gewellt; er hatte einen Spitzbart und trug einen der kleinen, randlosen Hüte auf dem Kopf, die auch seine Gesandten getragen hatten. Nur waren am Hut des Königs ein Diadem und Ohrenklappen angebracht.
In Tarsos tauschte Sulla die Goldmünzen in gute römische Denare um. Zu seinem Erstaunen war er nun um zehn Millionen Denare oder vierzig Millionen Sesterze reicher. Er hatte sein Vermögen mehr als verdoppelt! Natürlich schleppte er die römischen Münzen nicht in bar aus dem Bankhaus in Tarsos. Er ließ sich einen Wechsel, eine permutatio geben und steckte die kleine Pergamentrolle in seine Toga.
Das Jahr ging dem Ende zu, der Herbst war schon weit vorangeschritten. Es war Zeit, an die Rückreise zu denken. Sullas Auftrag war erledigt — und gut erledigt. Die Beamten des Staatsschatzes in Rom würden sich nicht beschweren können — Sulla brachte noch weitere zehn Goldbeutel mit: zwei von Tigranes von Armenien, fünf vom König der Parther, einen vom König von Kommagene und noch einmal zwei vom König von Pontos höchstpersönlich. Dies bedeutete, daß Sulla sein Heer entlohnen und Morsimos einen großzügigen Lohn zahlen konnte. Zwei Drittel würden in seine Kriegskasse wandern, die nun besser gefüllt war als zum Zeitpunkt seiner Abreise. Ja, es war ein gutes Jahr gewesen! Sein Ansehen in Rom würde steigen, und er hatte nun so viel Geld, daß er sich um das Konsulat bewerben konnte.
Sullas Gepäck stand bereit. Das gemietete Schiff lag auf dem Kydnos vor Anker, als ein Brief von
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