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MoR 02 - Eine Krone aus Gras

Titel: MoR 02 - Eine Krone aus Gras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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sollte auf einem großen Steinmonument verewigt werden, das Orobazos an der Stelle errichten lassen wollte, an der sich Sullas Podium befunden hatte. Das Podium wurde jetzt wieder abgebaut, und die Bauteile wurden an ihre rechtmäßigen Orte zurückgebracht. Orobazos’ Steinmonument sollte ein vierseitiger Obelisk sein. Der Wortlaut des Vertrages sollte darauf in Latein, Griechisch, Parthisch und Medisch eingemeißelt werden, je eine Sprache auf einer Seite. Zwei Kopien wurden auf Pergament geschrieben, eine davon wollte Sulla nach Rom mitnehmen, die andere Kopie würde Orobazos nach Seleukeia am Tigris bringen. Der König der Parther werde über den Vertrag erfreut sein, hatte Orobazos gesagt.
    Tigranes hatte sich wie ein geprügelter Hund davongeschlichen, sobald seine Oberherren es ihm erlaubt hatten. Er kehrte in seine neue Stadt Tigranokerta zurück, wo gerade die Straßen vermessen wurden. Sein erster Impuls war, eine Nachricht an Mithridates von Pontos zu schicken, aber er zögerte eine Weile. Ein Freund, der vom Hof in Seleukeia am Tigris zurückgekehrt war, berichtete ihm schließlich eine Neuigkeit, die Tigranes veranlaßte, mit einer gewissen persönlichen Befriedigung an Mithridates zu schreiben.
    Nimm Dich vor diesem Römer Lucius Cornelius Sulla in acht, mein verehrter und mächtiger Schwiegervater. In Zeugma am Euphrat schloß er mit dem Satrap Orobazos aus Seleukeia am Tigris einen Freundschaftsvertrag. Orobazos handelte als Gesandter meines Oberherrn, des König Mithridates von Parthien.
    Sie haben sich geeinigt, geliebter König von Pontos, so daß mir nun die Hände gebunden sind. Nach dem Vertrag muß ich östlich des Euphrat bleiben, und ich wage nicht, dagegen zu handeln — jedenfalls nicht, solange der gnadenlose alte Tyrann Mithridates, Dein Namensvetter, auf dem Thron der Parther sitzt. Siebzig Täler mußte mein Königreich abtreten, damit ich zurückkehren konnte. Wenn ich den Vertrag mißachte, verliere ich weitere siebzig Täler.
    Aber verzweifle nicht. Du hast doch einmal gesagt, wir seien noch jung, wir hätten Zeit und könnten uns gedulden. Nach diesem Vertrag zwischen Rom und Parthien habe ich einen Entschluß gefaßt. Ich werde Armenien vergrößern. Du wirst Dich auf die von Dir benannten Gebiete konzentrieren — Kappadokien, Paphlagonien, die römische Provinz Asia, Kilikien, Bithynien und Macedonia. Ich konzentriere mich auf den Süden, auf Syrien, Ägypten und Arabien. Und nicht zuletzt natürlich auf Parthien. Denn eines baldigen Tages wird der alte König Mithridates von Parthien sterben. Und ich sage voraus, daß es dann einen Thronfolgekrieg geben wird, denn er hat seine Söhne unterdrückt, wie er mich unterdrückt hat. Er bevorzugt keinen von ihnen, quält sie mit Todesdrohungen und tötet gelegentlich einen, um die anderen fügsam zu machen. Kein Sohn hat also größere Rechte als ein anderer, und das ist gefährlich, wenn ein alter König stirbt. Ich schwöre Dir, verehrter und geschätzter Schwiegervater — sobald zwischen den Söhnen des Königs von Parthien ein Krieg ausbricht, werde ich die Gelegenheit ergreifen und zuschlagen — ich werde gegen Syrien, Arabien, Ägypten und Mesopotamien ziehen. Bis dahin baue ich an meiner Stadt Tigranokerta weiter.
    Noch eines muß ich Dir über die Unterredung zwischen Orobazos und Lucius Cornelius Sulla berichten. Orobazos befahl dem chaldäischen Seher Nabopolassar, Hand und Gesicht des Römers zu lesen. Ich kenne die Arbeit dieses Nabopolassar; sein Bruder ist Seher des Königs der Könige höchstpersönlich. Und ich sage Dir, großer und weiser Schwiegervater, daß der Chaldäer ein echter Seher ist; er hat immer recht. Nachdem er Hand und Gesicht des Lucius Cornelius Sulla gelesen hatte, warf er sich auf den Boden und erniedrigte sich vor dem Römer, wie er sich einzig und allein vor dem König der Könige erniedrigen würde. Dann sagte er zu Orobazos, Lucius Cornelius Sulla sei der größte Mann der Welt! Vom Indus bis zum Okeanos, sagte er. Ich fürchtete mich. Orobazos auch. Mit gutem Grund. Als er und die anderen Gesandten nach Seleukeia am Tigris zurückkehrten, war der König dort anwesend. Orobazos berichtete ihm sofort, was sich ereignet hatte, einschließlich aller Einzelheiten über unsere Aktivitäten, mächtiger Schwiegervater, die er von dem Römer erfahren hatte, und einschließlich der Warnung des Römers, daß Du vielleicht das Königreich Parthien erobern willst. König Mithridates nahm die Warnung

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