Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

MoR 02 - Eine Krone aus Gras

Titel: MoR 02 - Eine Krone aus Gras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
Vom Netzwerk:
waren und jetzt unten in der Mitte des Comitiums standen. Die Trennseile hatte man bereits wieder entfernt. Der Konsul genehmigte die Veröffentlichung des Wahlergebnisses auf einem Pergament, das an der zum Forum gelegenen Rückwand der Rednerbühne angeschlagen wurde. Jeder Forumsbesucher konnte sich dort in den folgenden Tagen informieren.
    Marcus Livius Drusus war zum neuen Vorsitzenden des Tribunenkollegiums gewählt worden. Alle fünfunddreißig Tribus hatten für ihn gestimmt, ein ungewöhnliches Ergebnis. Minicius, Sestius und Saufeius wurden ebenfalls gewählt, ferner sechs weitere Männer, die aber so unbekannt und gesichtslos waren, daß sich kaum jemand an sie erinnern konnte; daran sollte sich bis zum Ablauf ihrer Amtszeit auch nichts ändern, da sie völlig untätig blieben. Das Amtsjahr der Tribunen begann rund dreißig Tage später, am zehnten Tag des Dezember. Drusus hatte natürlich Grund zur Freude, denn er hatte keine ernsthaften Gegner im Kollegium.
    Das Tribunenkollegium trat in der Basilica Porcia zusammen — im Erdgeschoß auf der dem Senat nächstgelegenen Seite. Der Sitzungssaal bestand aus einem offenen Raum, in dem einige Tische und Faltstühle ohne Lehne aufgestellt waren. Die Sitzungen wurden durch die zahlreichen Säulen stark behindert. Die Basilica war nicht nur die älteste, sondern auch die architektonisch eigenwilligste der römischen Markt- und Gerichtshallen. Hier trafen sich die Volkstribunen an den Tagen, an denen die Volksversammlung nicht tagte, und hörten all denen zu, die sich mit ihren Problemen, Klagen oder Vorschlägen an sie wandten.
    Drusus merkte, daß er sich auf diese neuartige Erfahrung zu freuen begann. Er freute sich auch auf seine Jungfernrede im Senat. Er war sicher, daß die älteren Magistraten im Senat dagegen opponieren würden. Schließlich war Philippus zum zweiten Konsul nach Sextus Julius Caesar gewählt worden (Caesar war der erste Julier auf dem Stuhl des Konsuls seit vierhundert Jahren). Caepio war zum Prätor gewählt worden, aber gleichzeitig war die Zahl der Prätoren von sechs auf acht erhöht worden. In manchen Jahren kam der Senat zu der Überzeugung, daß sechs Prätoren nicht ausreichten; er empfahl dann die Wahl von acht Prätoren. Dieses Jahr war ein solches Jahr. Drusus’ Absicht war es gewesen, noch vor seinen Amtskollegen seine Gesetze einzubringen. Aber als das neue Kollegium am zehnten Tag des Dezember feierlich eingesetzt wurde, stürzte Minicius, ein Bauer, nach vorne, sobald die Zeremonie zu Ende war, und kündigte mit schriller Stimme an, daß er die Volksversammlung zu einer ersten Abstimmung über ein dringend benötigtes neues Gesetz aufrufe. In der Vergangenheit hätten Kinder einer Ehe zwischen einem römischen Bürger und einem Nichtbürger den Status des Vaters erhalten. Das sei eine zu einfache Lösung! Es gebe zu viele halbe Römer! Dieses unerwünschte Schlupfloch in der Zitadelle des römischen Bürgerrechts müsse verstopft werden! Minicius legte deshalb ein neues Gesetz vor, welches den Kindern einer Mischehe das römische Bürgerrecht verweigerte, auch wenn der Vater Römer war.
    Für Drusus war diese lex Minicia de liberis eine große Enttäuschung, denn das Gesetz wurde von der Volksversammlung begeistert begrüßt, ein Beweis dafür, daß die meisten Wahlberechtigten in den Tribus noch immer glaubten, das römische Bürgerrecht müsse all denen vorenthalten werden, die als minderwertig galten — mit anderen Worten, dem Rest der Menschheit.
    Caepio unterstützte natürlich den Antrag, obwohl er gar nicht so erfreut darüber war. Er war seit kurzem mit einem neuen Senator befreundet, einem Klienten des Ahenobarbus Pontifex Maximus, den dieser als Zensor in die Senatorenliste aufgenommen hatte. Caepios neuer Freund war sehr reich, vor allem auf Kosten seiner spanischen Landsleute, und er trug den klangvollen Namen Quintus Varius Severus Hybrida Sucronensis. Verständlicherweise bevorzugte er es, einfach als Quintus Varius angesprochen zu werden. Der Name Severus war ihm weniger aufgrund seiner Tiefgründigkeit, die er ohnehin nicht besaß, als vielmehr aufgrund seiner Grausamkeit angehängt worden. Der Name Hybrida wies darauf hin, daß ein Elternteil das Bürgerrecht nicht gehabt hatte, und der Name Sucronensis bezeichnete die Stadt seiner Geburt und Jugend — Sucro in Hispania Citerior. Quintus Varius konnte kaum als Römer bezeichnet werden; er wirkte ausländischer als jeder Italiker, war aber dennoch

Weitere Kostenlose Bücher