Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

MoR 02 - Eine Krone aus Gras

Titel: MoR 02 - Eine Krone aus Gras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
Vom Netzwerk:
hatte, einen Keil zwischen die Stande zu treiben.
    »Gaius Sempronius Gracchus war schuld daran, daß sich die beiden Klassen trennten. Er schuf damit eine künstliche soziale Barriere — denn wer kein Senator ist, aber einer Senatorenfamilie angehört, ist der nicht ein Ritter? Wenn er die entsprechenden Bedingungen erfüllt, wird er als Ritter in die Listen aufgenommen, weil schon zu viele Mitglieder seiner Familie Senatoren sind. Ritter und Senatoren gehören beide dem ersten Stand an! Mitglieder derselben Familie können diesen beiden verschiedenen Klassen angehören, die nur dank Gaius Gracchus künstlich getrennt sind. Die einzige Unterscheidung kann von den Zensoren getroffen werden. Sobald ein Mann in den Senat aufgenommen wird, darf er sich nicht mehr mit Geschäften befassen, die nichts mit Grundbesitz zu tun haben. Und das war schon immer so.« Drusus machte eine Pause.
    »Was Männer wie Gaius Gracchus getan haben, mag anfechtbar sein«, fuhr er fort, »aber es gibt nichts dagegen einzuwenden, wenn ich von Gaius Gracchus übernehme, was bewundernswert und zustimmungswürdig ist! Gaius Gracchus war der erste, der vorschlug, den Senat zu vergrößern. Aber daraus wurde nichts, weil damals die allgemeine Stimmung nicht günstig war, weil mein Vater dagegen war und weil das Programm des Gracchus daneben auch weniger hehre Ziele enthielt. Und obwohl ich der Sohn meines Vaters bin, greife ich den Vorschlag des Gaius Gracchus auf, denn ich habe erkannt, wie nützlich und günstig dieses Gesetz in unserer Zeit sein könnte! Rom wächst ständig weiter. Die öffentlichen Pflichten, die jedem im öffentlichen Leben stehenden Mann abverlangt werden, wachsen mit, aber der Teich, aus dem wir unsere Politiker holen, ist ein abgestandenes Gewässer ohne jeden Zufluß. Meine Gesetzesvorschläge sollen beiden Seiten, den Rittern wie den Senatoren nützen.«
    Mitte Januar des neuen Jahres wurden die beiden Gesetze verabschiedet, obwohl Konsul Philippus und Prätor Caepio dagegen stimmten. Drusus konnte erleichtert aufatmen: Er hatte sein Programm auf den Weg gebracht. Und bisher hatte er sich noch niemanden zum Feind machen müssen! Natürlich durfte er nicht hoffen, daß dieser Zustand anhalten würde, aber der Anfang war, weit besser gelaufen, als er erwartet hatte.

    Anfang März sprach Drusus im Senat über den ager publicus. Er war sich bewußt, daß er dabei die Maske fallen lassen mußte und daß einige der Ultrakonservativen plötzlich erkennen würden, wie gefährlich dieser Sohn ihrer eigenen Klasse war. Aber Drusus hatte den Senatsvorsitzenden Scaurus, Crassus Orator und Scaevola in seine Pläne eingeweiht und für seine Ziele gewonnen. Und wenn ihm das gelungen war, hatte er auch eine gute Chance, den ganzen Senat zu gewinnen. Dessen war er sich sicher.
    Als Drusus aufstand, spürten die anderen sofort, daß etwas Wichtiges bevorstand. Keiner hatte ihn je so konzentriert gesehen oder so makellos gekleidet.
    »Unser Gemeinwesen ist mit einem Übel behaftet.« Drusus stand in der Mitte des Senats in der Nähe des großen Bronzeportals, das er zuvor hatte schließen lassen. Er machte eine Pause und ließ seinen Blick langsam von einem Ende der Versammlung zum anderen schweifen — ein Trick, der bewirkte, daß sich jeder einzelne direkt von ihm angesprochen fühlte.
    »Unser Gemeinwesen ist mit einem Übel behaftet. Einem großen Übel, das wir uns selbst eingehandelt haben! Denn wir haben es geschaffen! Wie sooft glaubten wir, daß unser Tun bewundernswert sei, daß es gut sei und gerecht. Weil ich das weiß und weil ich unsere Vorfahren achte, kritisiere ich diejenigen nicht, die dieses Übel in unserer Mitte geschaffen haben, und ich erhebe auch nicht den geringsten Vorwurf gegenüber jenen Männern, die sich in früheren Zeiten hier versammelten.«
    Drusus’ eckige Brauen hoben sich, während er die Stimme senkte. »Um welches Übel handelt es sich? Es handelt sich um den ager publicus, Senatoren, um das Ackerland, das dem römischen Staat gehört. Wir haben unseren italischen, sizilischen und ausländischen Feinden das beste Land abgenommen und unserem Besitz einverleibt. Und dieses Land nannten wir den ager publicus Roms. Wir waren überzeugt, daß wir so den Gemeinbesitz Roms mehren und durch die Nutzung so vielen guten Bodens unseren Wohlstand vermehren würden. Es ist freilich anders gekommen. Statt das konfiszierte Land wie bisher in kleine Parzellen aufzuteilen, haben wir die Flächen, die wir

Weitere Kostenlose Bücher