MoR 02 - Eine Krone aus Gras
entschlossen, einer der größten Römer zu werden. Bei der Wahl seiner Mittel, dieses noble Ziel zu erreichen, war er nicht zimperlich.
Nachdem Varius mit Caepio bekannt gemacht worden war, heftete er sich so hartnäckig an den Römer wie eine Muschel an einen Schiffsrumpf. Er war ein Meister der Schmeichelei, unermüdlich in kleinen Aufmerksamkeiten und Diensten — und erfolgreicher, als man hätte erwarten können. Denn ohne es zu wissen, umschwärmte Varius Caepio in einer Weise, in der dieser früher Drusus umschwärmt hatte.
Nicht alle der anderen Freunde Caepios hießen Quintus Varius willkommen. Lucius Marcius Philippus freilich war ihm zu Dank verpflichtet, da Varius stets bereit war, dem unter Druck geratenen Anwärter auf das Konsulat finanzielle Hilfe und schnellen Schuldenerlaß angedeihen zu lassen. Quintus Caecilius Metellus Pius das Ferkel dagegen verabscheute Varius von dem Augenblick an, in dem er ihm zum ersten Mal begegnete.
»Quintus Servilius, wie kannst du diese schleimige Kreatur nur aushalten?« fragte er Caepio ohne jeden Anflug von Stottern. »Ich sage dir, wenn Varius in Rom gelebt hätte, als mein Vater starb, hätte ich dem Arzt Apollodorus geglaubt und sofort gewußt, wer den großen Metellus Numidicus vergiftet hat!«
Und zum Pontifex Maximus Ahenobarbus sagte Metellus: »Wie kommt es nur, daß deine wichtigsten Klienten solche Schleimscheißer sind? Denn das sind sie! Wenn du Leute wie die plebejischen Servilier aus der Familie der Auguren und diesen Varius als Klienten hast, machst du dir einen Namen als Patron der Zuhälter, Scheißer, Leichenfledderer und Kakerlaken!«
Der Pontifex Maximus Ahenobarbus hörte sich das mit offenem Mund an. Zu einer Antwort war er nicht mehr fähig.
Aber nicht alle durchschauten Varius’ Charakter. Den Naiven und Unwissenden erschien er als wunderbarer Mensch. Denn zum einen war er eine ungewöhnlich gutaussehende, maskuline Erscheinung — groß, gutgebaut und dunkelhaarig, aber nicht dunkelhäutig; er hatte feurige Augen und angenehme Gesichtszüge. Was er sagte, klang vernünftig, allerdings nur, solange es um persönliche Angelegenheiten ging. Seine öffentliche Redekunst war unzureichend und wurde durch seinen schweren spanischen Akzent weiter beeinträchtigt. Auf Caepios Rat hin arbeitete er hart daran, seine Aussprache zu verbessern. Währenddessen ging der Streit darüber weiter, was für ein Mensch er wirklich sei.
»Er ist ein selten vernünftiger Mensch«, sagte Caepio.
»Ein Parasit ist er, ein Kuppler«, sagte Drusus.
»Ein großzügiger, charmanter Mann«, meinte Philippus.
»Er ist so schleimig wie grüne Spucke«, giftete das Ferkel.
»Er ist ein würdiger Klient«, sagte Ahenobarbus Pontifex Maximus.
Und Scaurus Princeps Senatus sagte verächtlich: »Er ist kein Römer.«
Natürlich paßte dem charmanten, vernünftigen, ehrenwerten Quintus Varius die neue lex Minicia de liberis überhaupt nicht. Durch das Gesetz wurde sein Bürgerstatus in Frage gestellt. Unglücklicherweise entdeckte er erst jetzt, wie holzköpfig Caepio sein konnte — Varius konnte ihn durch nichts bewegen, seine Unterstützung für das neue Gesetz des Minicius aufzugeben.
»Mach dir keine Sorgen, Quintus Varius«, sagte Caepio, »das Gesetz gilt ja nicht rückwirkend.«
Drusus seinerseits wurde durch das Gesetz zweifellos mehr als irgendein anderer entmutigt, obwohl dies niemand ahnte. Die öffentliche Stimmung war also zumindest in Rom noch immer gegen eine Ausweitung des Bürgerrechts auf Nichtrömer.
»Ich werde mein ganzes Gesetzesprogramm neu organisieren müssen«, sagte er, als Silo ihn kurz vor dem Jahresende besuchte. »Ich kann das allgemeine Stimmrecht erst gegen Ende meines Tribunatsjahres beantragen. Eigentlich wollte ich damit mein Programm einleiten, aber das geht jetzt nicht mehr.«
»Du wirst damit niemals durchkommen, Marcus Livius«, sagte Silo kopfschüttelnd. »Sie werden es nicht zulassen.«
»Ich werde es schaffen, und sie werden es zulassen«, antwortete Drusus, der entschlossener war als je zuvor.
»Nun, ich kann dir wenigstens einen kleinen Trost bieten«, sagte Silo mit freundlichem Lächeln. »Ich habe mit den anderen italischen Führern gesprochen. Sie denken genauso wie ich — wenn du uns wirklich das römische Bürgerrecht verschaffst, verdienst du es, Patron aller neuen Wahlberechtigten zu werden. Wir haben einen Eid formuliert, und wir werden den italischen Männern diesen Eid ab jetzt bis zum Ende des
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