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MoR 02 - Eine Krone aus Gras

Titel: MoR 02 - Eine Krone aus Gras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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dich, Lucius Cornelius«, sagte Marius. »Eine seltsame Sache! Wohin er wohl gegangen ist?«
    »Danke, Gaius Marius, aber ich würde gerne allein nach Hause gehen«, sagte Sulla ruhig. »Censorinus sucht wahrscheinlich bei König Mithridates um Asyl nach.« Sein Lächeln war furchtbar. »Ich hatte eine kurze Unterredung mit ihm, mußt du wissen.«
    Vom Forum Romanum schritt Sulla schnell in Richtung der Porta Esquilina. Vor der Servianischen Mauer lag die römische Nekropolis, die fast den gesamten Campus Esquilinus einnahm. Es war eine richtige Stadt von Grabmälern — manche bescheiden, manche prächtig, die meisten eher unauffällig —, in denen die Asche der römischen Bürger und Nichtbürger und die Asche von Sklaven und Freien, Einheimischen und Ausländern aufbewahrt wurde.
    An der östlichen Seite der großen Straßenkreuzung, mehrere hundert Schritt von der Servinischen Mauer entfernt, stand der Tempel der Venus Libitina, der Todesgöttin. Es war ein wunderschöner Tempel, inmitten eines Zypressenhains gelegen. Die Wände waren grün, die Säulen purpurfarben gestrichen, die ionischen Kapitelle hoben sich in Gold und Rot deutlich ab, Dach und Portikus waren gelb. Die zahlreichen Treppenstufen waren mit einem Mosaik aus dunkelrosa Zement belegt, auf dem Giebel waren in lebhaften Farben die Götter und Göttinnen der Unterwelt dargestellt. Auf der Giebelspitze stand eine wundervoll vergoldete Statue der Venus Libitina, die in einem Wagen fuhr, der von Mäusen, den Vorboten des Todes, gezogen wurde.
    Hier, inmitten des Zypressenhains, hatte die Gilde der Leichenbestatter ihre Geschäftsbuden aufgebaut und warb um Aufträge. Es herrschte weder eine gedämpfte, noch eine traurige oder sonstwie gefühlsbeladene Atmosphäre. Potentielle Auftraggeber wurden festgehalten, belästigt, umschmeichelt, irgendwo hingezogen oder angerempelt, denn die Leichenbestattung war ein Geschäft wie jedes andere, und hier war der Marktplatz der Diener des Todes. Sulla schritt wie ein Geist zwischen den Ständen hindurch.
    Seine geradezu unheimliche Begabung, Menschen zurückzuweisen, hielt ihm selbst hier die aufdringlichsten Geschäftemacher fern. Schließlich erreichte er den Stand einer Firma, die seit je die Mitglieder des Geschlechtes der Cornelier bestattete, und erteilte seinen Auftrag.
    Die Schauspieler würden am folgenden Tag bei ihm zu Hause ihre Anweisungen erhalten, und alles würde für eine prachtvolle Beerdigung vorbereitet werden, die am dritten Tage stattfinden sollte. Als Cornelier würde der junge Sulla der Familientradition entsprechend beerdigt und nicht verbrannt werden. Sulla zahlte die Kosten mit einem Schuldschein über zwanzig Silbertalente, gezogen auf seine Bank. Über die Kosten der Beerdigung würde in Rom tagelang gesprochen werden. Sulla interessierten die Kosten nicht, obwohl er sonst mit jedem einzelnen Sesterz sehr sparsam und geizig umging.
    Zu Hause schickte Sulla Aelia und Cornelia Sulla aus dem Zimmer, in dem der junge Sulla aufgebahrt war. Dann setzte er sich in Aelias Stuhl und starrte seinen Sohn an. Er wußte nicht, was er fühlte. Die Trauer, der Verlust, die Endgültigkeit lastete auf ihm wie ein riesiger Bleiklumpen; er konnte gerade noch diese Last tragen, aber er hatte keine Kraft mehr, über seine Gefühle nachzudenken. Vor ihm lag der Ruin seines Hauses, lag das, was von seinem teuersten Freund, dem Begleiter seiner alten Tage, dem Erben seines Namens, seines Vermögens, seines Rufes und seiner politischen Karriere übriggeblieben war. Vergangen in dreißig Stunden, hingestreckt nicht durch die Entscheidung eines Gottes, nicht einmal durch eine Laune des Schicksals. Eine Erkältung hatte sich verstärkt, die Lungen hatten sich entzündet, und das Leben war aus dem Herzen gepreßt worden. Es war die Geschichte Tausender von Kranken. Niemand trug Schuld, niemand hatte es gewollt. Ein Unfall. Für den Jungen, der nichts mehr dachte, nichts fühlte, war es das Ende des Lebens. Die Hinterbliebenen, die dachten und fühlten, hatten etwas verloren und würden den Verlust bis zum Lebensende fühlen. Sein Sohn war tot. Sein Freund war für immer gegangen.
    Als Aelia zwei Stunden später zurückkam, zog sich Sulla in sein Arbeitszimmer zurück und schrieb an Metrobius.
    Mein Sohn ist tot. Als Du letztes Mal in mein Haus kamst, starb meine Frau. Als Schauspieler solltest Du eigentlich der Vorbote der Freude sein, der deus ex machina eines Dramas. Statt dessen bist Du der Verhüllte, der

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