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MoR 02 - Eine Krone aus Gras

Titel: MoR 02 - Eine Krone aus Gras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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rückwärtigen Wand der Rostra. Die Schauspieler mit den Wachsmasken wurden von Helfern die Stufen zur Rostra hinaufgeführt und dort zu kurulischen Stühlen aus Elfenbein geleitet. Sie trugen purpurgesäumte Togen, die dem hohen Rang der Ahnen Sullas entsprachen; der Sulla, der Priester des Jupiter gewesen war, trug dessen Priestergewänder. Die Bahre wurde auf die Rostra gestellt, und die trauernden Angehörigen — die außer Licius Nonius und Aelia alle irgendwie mit dem Haus der Julier verwandt waren — stiegen hinauf, um dort die Trauerrede anzuhören. Sulla hielt die Rede selbst, und er faßte sich sehr kurz.
    »Ich beerdige heute meinen einzigen Sohn«, sprach er zu der schweigenden Menschenmenge, die sich versammelt hatte. »Er gehörte der gens Cornelia an, einer Familie, die über zweihundert Jahre alt ist und Konsuln und Priester und höchst ehrenwerte Männer hervorgebracht hat. Im Dezember wäre auch er ein Cornelier geworden. Aber es sollte nicht sein. Zum Zeitpunkt seines Todes war er fast fünfzehn Jahre alt.«
    Sulla wandte sich an die trauernden Hinterbliebenen. Der junge Marius trug eine schwarze Toga und hatte sein Haupt verhüllt, denn er trug die Toga der Männer. Aufgrund seines neuen Status’ stand er weit von Cornelia Sulla entfernt, die ihn aus einem zerschlagenen und geschwollenen Gesicht traurig anblickte. Auch Aurelia und Julia standen da, aber während Julia weinte und Aelia stützte, stand Aurelia aufrecht und blickte tränenlos geradeaus, eher grimmig als traurig.
    »Mein Sohn war ein wunderbares Kind, und er wurde geliebt und umsorgt. Seine Mutter starb, als er noch sehr klein war, aber seine Stiefmutter ersetzte ihm in allem die Mutter. Wäre er noch am Leben, er wäre ein würdiger Nachfahr eines edlen Patriziergeschlechts, denn er war gebildet, intelligent, interessiert und mutig. Als ich im Osten weilte, um mit den Königen von Pontos und Armenien zu sprechen, begleitete er mich, und er überstand alle Gefahren, die ihm dort auflauerten. Er war bei meinen Verhandlungen mit der parthischen Gesandtschaft dabei und hätte eines Tages der Mann sein können, den Rom beauftragt, mit ihnen weiter zu verhandeln. Er war mein bester Gefährte, mein treuester Gefolgsmann. Es war sein Schicksal, daß ihn die Krankheit in Rom bezwang. Rom ist ohne ihn ärmer, wie ich und meine Familie ärmer geworden sind. Ich beerdige ihn nun mit großer Liebe und noch größerer Trauer, und ich habe Gladiatoren für die Beerdigungsspiele bestellt.«
    Damit war die Zeremonie auf der Rostra beendet. Alle erhoben sich; die Prozession formierte sich erneut und zog zur Porta Capena, denn Sulla hatte für seinen Sohn ein Grabmal an der Via Appia erworben, an der die meisten Cornelier beerdigt waren. Vor dem Eingang des Grabmals hob Sulla seinen Sohn von der Bahre und bettete ihn in einen Marmorsarkophag, der auf Gleitschienen stand. Der Deckel wurde auf den Sarkophag gesenkt, dann schoben die Freien, die die Bahre getragen hatten, den Sarkophag in das Grabmal und entfernten die Gleitfüße. Sulla schloß die große Bronzetür, und er schloß damit zugleich die Tür zu einem Teil seines bisherigen Lebens. Sein Sohn war gegangen. Nichts würde mehr wie früher sein.

    Einige Tage nach der Beerdigung des jungen Sulla wurde die lex Livia agraria verabschiedet. Obwohl Caepio und Varius im Senat heftig dagegen opponiert hatten, erhielt das Gesetz die Billigung des Senats und wurde nun an die Volksversammlung verwiesen. Dort traf die Vorlage auf unerwartet heftigen Widerstand. Womit Drusus nicht gerechnet hatte, war der erbitterte Widerstand von Seiten der Italiker. Obwohl die fraglichen Ländereien nicht den Italikern gehörten, grenzten die italischen Länder größtenteils an römischen ager publicus, und die Methoden der Flurvermessung waren ausgesprochen rückständig. Viele der kleinen weißen Grenzsteine waren heimlich versetzt worden, viele Güter der Italiker umfaßten Länder, die eigentlich nicht zu ihrem Besitz gehörten. Eine umfassende Neuvermessung der Flurgrenzen stand nun bevor, da das Staatsland in Parzellen zu je zehn Morgen aufgeteilt werden sollte. Abweichungen würden dabei automatisch berichtigt werden. Das Staatsland in Etruria schien am stärksten betroffen, wahrscheinlich deshalb, weil Gaius Marius einer der größten Eigentümer von Latifundien in dieser Gegend war, und Gaius Marius hatte nichts unternommen, wenn sich einige seiner italischen Nachbarn in Etruria ein paar Streifen von den

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