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MoR 02 - Eine Krone aus Gras

Titel: MoR 02 - Eine Krone aus Gras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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Vorbote des Todes.
    Betrete mein Haus nie mehr. Ich habe erkannt, daß meine Patronin Fortuna keine Rivalen duldet. Denn ich habe Dir innerlich die Liebe gegeben, die sie als ihr Eigentum betrachtet. Ich habe Dich zu einem Idol erhöht. Für mich bist Du die Personifizierung der Liebe geworden. Aber sie verlangt alles für sich. Und sie ist weiblich, Beginn und Ende jedes Menschen.
    Sollte Fortuna einmal von mir genug haben, werde ich Dich aufsuchen. Bis zu diesem Tag nicht. Mein Sohn war ein guter Sohn, ein würdiger und vielversprechender Sohn. Ein Römer. Jetzt ist er tot, und ich bin allein. Ich will Dich nicht.
    Sulla versiegelte den Brief sorgfältig, rief seinen Verwalter und sagte ihm, wohin der Brief geschickt werden solle. Dann starrte er die auf der Wand aufgemalte Szene an, in der — seltsamer Zufall! — Achilles an der Bahre des Patrokles saß und diesen in seinen Armen hielt. Der Künstler hatte sich offenbar von den tragischen Masken der großen Schauspiele beeinflussen lassen, denn er hatte das Gesicht des Achilles mit einem maskenhaft erstarrten Schmerz dargestellt, der Sulla ausgesprochen falsch vorkam. Sulla empfand die Darstellung als freches Eindringen in eine Welt privaten Schmerzes, der dem Pöbel nicht gezeigt werden konnte. Er klatschte in die Hände. Als der Verwalter eintrat, sagte er: »Suche morgen jemanden, der dieses Gemälde entfernt.«
    »Lucius Cornelius, die Bestatter waren da. Sie haben den lectus funebris im Atrium aufgestellt, damit dein Sohn dort aufgebahrt werden kann«, sagte der Verwalter weinend.
    Sulla inspizierte die Bahre. Sie war wunderbar geschnitzt und vergoldet, und auf ihr lagen ein schwarzes Tuch und schwarze Kissen. Sulla nickte billigend. Er selbst trug seinen Sohn ins Atrium. Die Kissen wurden zurechtgelegt, der Junge wurde in eine sitzende Position gebracht, und die Arme wurden mit weiteren Kissen gestützt. Hier im Atrium würde er bleiben, bis acht schwarzgekleidete Träger die Bahre abholten und sie während der Beerdigungsprozession trugen. Das obere Ende der Bahre zeigte auf die Tür zum Garten des Peristyls, das untere Ende auf die Haustür. An der Außenseite der Haustür hingen Zypressenzweige.
    Die Beerdigung des jungen Sulla fand am dritten Tag statt. Als Zeichen der Achtung gegenüber einem Mann, der Stadtprätor gewesen war und aller Wahrscheinlichkeit nach einmal Konsul werden würde, hatte man alle Geschäfte auf dem Forum Rom- anum eingestellt. Wer auf dem Forum anzutreffen war, wartete, in die schwarze Trauertoga, die toga pulla gekleidet, auf den Trauerzug. Wegen der Wagen mußte die Prozession von Sullas Haus den Clivus Victoriae hinunter zum Velabrum ziehen. Dort bog sie in den Vicus Tuscus ein und erreichte dann das Forum Romanum zwischen dem Tempel des Castor und Pollux und der Basilica Sempronia. An der Spitze der Prozession gingen zwei Bestatter in schwarzen Togen, gefolgt von schwarzgekleideten Musikanten, die in Militärtrompeten, Hörner und Flöten bliesen. Die Flöten waren aus den Schienbeinen im Kampf gefallener Feinde hergestellt worden. Die Musik war feierlich und schrill. Mit den Musikanten zogen schwarzgekleidete Frauen mit, die ihr Geld als professionelle Trauerweiber verdienten. Sie schrien ihre eigenen Klagegesänge und schlugen sich an die Brüste, die eine oder andere mochte auch echte Tränen vergießen. Ihnen folgte eine Gruppe Tänzer, die sich in rituellen Bewegungen drehten und wandten, Bewegungen, die älter waren als Rom selbst, und dabei Zypressenzweige schwenkten. Und nach ihnen kamen die Schauspieler, die die fünf Wachsmasken der Ahnen Sullas trugen. Jeder stand in einem schwarzen Wagen, der von zwei schwarzen Pferden gezogen wurde. Endlich kam die Bahre, die von acht schwarzgekleideten Freien getragen wurde. Die Männer hatten einst Sullas Stiefmutter Clitumna gehört; sie hatte in ihrem Testament ihre Freilassung verfügt. Jetzt gehörten die Männer zu Sullas Klientel. Sulla ging hinter dem lectus funebris. Er hatte die schwarze Toga hochgezogen, so daß sie sein Gesicht verhüllte. Neben ihm gingen sein Neffe, Lucius Nonius, Gaius Marius, Sextus Julius Caesar, Quintus Lutatius Caesar und dessen Brüder Lucius Julius Caesar und Gaius Julius Caesar Strabo. Alle hatten ihre Häupter verhüllt. Hinter den Männern gingen die Frauen, gleichfalls schwarzgekleidet, aber mit unverhüllten Häuptern und zerrauften Haaren.
    Auf dem Forum versammelten sich die Musikanten, Trauerweiber, Tänzer und Bestatter vor der

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