MoR 02 - Eine Krone aus Gras
mich zu stark war. Und dann, letztes Jahr, schafften sie die meisten Gesetze des Saturninus wieder ab.«
»Die Getreide- und Landgesetze«, sagte der kleine Marius, der jetzt, da sie fern von Rom waren, sehr gut mit seinem Vater auskam und von ihm gelobt werden wollte.
»Mit Ausnahme des ersten Landgesetzes, das festlegte, daß meine proletarischen Soldaten auf den afrikanischen Inseln angesiedelt werden.«
»Da fällt mir ein«, unterbrach ihn Julia, »daß ich dir dazu etwas sagen wollte.«
Marius warf einen vielsagenden Blick auf den kleinen Marius hinunter, aber Julia ließ sich nicht beirren.
»Wie lange willst du Gaius Julius Caesar denn noch auf dieser Insel festhalten? Kann er nicht nach Hause kommen? Aurelia und die Kinder brauchen ihn.«
»Und ich brauche ihn auf Kerkena«, sagte Marius knapp. »Er ist zwar keine Führerpersönlichkeit, aber kein Bevollmächtigter hat sich bei Landverteilungen je so bewährt und so hart und tüchtig gearbeitet wie Gaius Julius. Solange er auf Kerkena ist, geht die Arbeit voran; es gibt kaum Beschwerden, und die Ergebnisse sind glänzend.«
»Aber er ist schon so lange dort!« protestierte Julia. »Drei Jahre!«
»Und wahrscheinlich wird er noch drei Jahre bleiben.« Marius wollte nicht nachgeben. »Du weißt, wie langsam diese Landzuweisungen an Veteranen vorankommen. Es gibt so viel zu tun. Das Land muß vermessen werden, mit den Besitzern muß geredet werden, dann müssen sie entschädigt werden, Verwirrungen müssen entwirrt werden, und der Widerstand der Einheimischen muß überwunden werden. Gaius Julius macht das außergewöhnlich geschickt. Nein, Julia! Kein Wort mehr davon! Gaius Julius bleibt, wo er ist, bis seine Aufgabe erledigt ist.«
»Dann tun mir seine Frau und seine Kinder leid.«
Julias Mitleid war freilich überflüssig, denn Aurelia war mit ihrem Schicksal ganz zufrieden und vermißte ihren Ehemann kaum. Das hatte nichts mit mangelnder Liebe oder Vernachlässigung ihrer Pflichten als Gattin zu tun, sondern allein damit, daß sie, solange ihr Mann weg war, ihrer eigenen Arbeit nachgehen konnte, ohne fürchten zu müssen, daß er diese Arbeit mißbilligen, kritisieren oder gar — was die Götter verhüten mögen! — verbieten würde.
Als Aurelia geheiratet hatte und in die größere der beiden Erdgeschoßwohnungen des großen Mietshauses eingezogen war, das ihre Mitgift darstellte, hatte sie gemerkt, daß ihr Mann von ihr den Lebensstil erwartete, der einem luxuriösen Haus auf dem Palatin entsprochen hätte: würdevoll, elitär und ziemlich sinnlos, jene Art von Leben, die sie in einem Gespräch mit Lucius Cornelius Sulla so treffend charakterisiert hatte. So langweilig und ohne jede Herausforderung, daß eine Liebesaffäre sich geradezu aufdrängte.
Schockiert und enttäuscht hatte Aurelia feststellen müssen, daß es Caesar mißfiel, wenn sie irgendwelche Kontakte mit einem der vielen Mieter hatte, die in den neun Stockwerken der insula wohnten. Er hatte sie gedrängt, die Miete von Agenten einsammeln zu lassen, und er erwartete, daß sie sich ausschließlich innerhalb der Wände ihrer recht engen Wohnung bewegte.
Aber Gaius Julius Caesar gehörte einem uralten Patriziergeschlecht an, und das brachte bestimmte Pflichten mit sich. Er war Gaius Marius durch dessen Ehe mit seiner Schwester Julia und durch seinen eigenen Geldmangel verpflichtet und hatte seine politische Karriere in Gaius Marius’ Diensten begonnen: zunächst als Kriegstribun in der Armee und dann, nachdem er Quästor gewesen und in den Senat aufgenommen worden war, als Landbevollmächtigter mit der Aufgabe, die besitzlosen Veteranen von Gaius Marius’ Afrikafeldzügen auf der Insel Kerkena in der Kleinen Syrte vor der afrikanischen Küste anzusiedeln. All diese Pflichten hatten ihn von Rom weggeführt, das erste Mal schon kurz nach der Heirat mit Aurelia. Es war eine Liebesheirat gewesen, die mit zwei Töchtern und einem Sohn gesegnet wurde. Der Vater war freilich bei keiner der Geburten in Rom gewesen und hatte seine Kinder noch kaum gesehen. Ein kurzer Besuch daheim führte zu einer Schwangerschaft, dann war er wieder monate-, manchmal sogar jahrelang weg.
Als der große Gaius Marius Caesars Schwester geheiratet hatte, hatte das Haus Julius Caesar am Rand des finanziellen Ruins gestanden. Gaius Julius’ Onkel Sextus Julius, das Haupt des anderen, älteren Familienzweiges, hatte weitsichtig den ältesten Sohn zur Adoption weggegeben und sich damit die Mittel verschafft,
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