MoR 02 - Eine Krone aus Gras
den beiden jüngeren Söhnen den Zugang zum Konsulat zu ermöglichen; der zur Adoption weggegebene Sohn hieß nun Quintus Lutatius Catulus Caesar. Aber Caesars Vater — Großvater Caesar, wie er nun, lang nach seinem Tod, genannt wurde — hatte für zwei Söhne und zwei Töchter sorgen müssen, und sein Geld reichte nur für einen Sohn. Dann allerdings hatte er einen genialen Einfall gehabt: Er hatte dem schwerreichen Gaius Marius, der von niedriger Abstammung war, eine seiner Töchter zur Ehefrau gegeben. Gaius Marius’ Geld war es gewesen, das den Töchtern eine Mitgift verschafft und Caesar sechshundert Jugera Land bei Bovillae eingebracht hatte — mehr als genug, um sich vor dem Zensor für den Senat zu qualifizieren. Es war auch Gaius Marius’ Geld gewesen, das dem jüngeren Familienzweig des Hauses — angeführt von Großvater Caesar — jedes Hindernis aus dem Weg geräumt hatte.
Gaius Julius Caesar selbst, Aurelias Mann, war ein anständiger Mensch, und er war Marius aufrichtig für dessen Hilfe dankbar, während sein älterer Bruder Sextus empfindlicher reagiert und sich nach seiner Heirat immer mehr vom Rest der Familie zurückgezogen hatte. Caesar wußte, daß er ohne Marius’ Geld nicht einmal Senator hätte werden können. Und auch für seine künftigen Kinder hätte es wenig Hoffnung gegeben. Ohne Gaius Marius’ Geld hätte er außerdem nie die schöne Aurelia heiraten können, eine vielumworbene Tochter aus edlem und wohlhabendem Haus.
Hätte man Marius gedrängt, er hätte zweifellos Caesar und seiner Frau zu einem Haus auf dem Palatin oder in den Carinae verholfen; Aurelias Onkel und Stiefvater Marcus Aurelius Cotta hatte sogar darum gebeten, mit einem Teil ihrer großen Mitgift ein solches Privathaus kaufen zu dürfen. Aber das junge Paar hatte es vorgezogen, Großvater Caesars Rat zu folgen und nicht in luxuriöser Abgeschiedenheit zu leben. Aurelias Mitgift war in ein Mietshaus investiert worden, eine insula, in dem das junge Paar leben konnte, bis Caesars fortschreitende Karriere ihm erlauben würde, ein privates Wohnhaus in einer besseren Gegend zu kaufen. Eine bessere Gegend war nicht schwer zu finden, da Aurelias Mietshaus in der Subura lag, dem dichtbesiedeltsten und ärmsten Stadtteil Roms, eingekeilt zwischen die Hänge des Esquilin und des Viminal — ein brodelndes Gemisch aus Menschen aller Rassen und Glaubensrichtungen, darunter römische Bürger der vierten und fünften Zensusklasse und besitzlose Bürger.
Und doch hatte Aurelia dort, in ihrem Mietshaus in der Subura, ihre Aufgabe gefunden. Sobald Caesar fort und die erste Schwangerschaft überstanden war, stürzte sie sich mit voller Kraft auf die Pflichten einer Hausbesitzerin und Vermieterin. Die Agenten wurden entlassen, sie führte die Bücher nun selbst, und viele Mieter wurden ihre Freunde und Klienten. Kompetent, vernünftig und unerschrocken setzte sie sich mit allem auseinander, was auf sie zukam — von Mord bis Wandalismus —, und sie schaffte es sogar, den Kreuzwegeverein, der sich in ihrem Haus versammelte, zu anständigem Benehmen zu erziehen. Diese Bruderschaft aus Männern der Nachbarschaft hatte mit offizieller Genehmigung des Stadtprätors die Aufgabe, in religiöser wie praktischer Hinsicht für den guten Zustand der großen Straßenkreuzung zu sorgen, die am Kopfende von Aurelias dreieckiger insula lag. Der Brunnen, der Straßenbelag, die Bürgersteige und der Schrein der Laren, die den Kreuzweg vor dem Zorn der Götter schützen sollten, mußten instand gehalten werden. Der Vorsteher des Vereins und Anführer seiner Mitglieder war ein gewisser Lucius Decumius, ein eingefleischter Römer, der allerdings nur der vierten Klasse angehörte. Als Aurelia die Verwaltung des Mietshauses übernahm, fand sie heraus, daß Lucius Decumius und seine Kumpanen nebenher auch noch eine Schutzorganisation betrieben, die Ladenbesitzer und Hausmeister im Umkreis von einer Meile terrorisierte. Sie machte diesem Treiben ein Ende und konnte sogar ein freundschaftliches Verhältnis mit Lucius Decumius herstellen.
Da es ihr an Milch fehlte, gab sie ihre Kinder den Frauen des Mietshauses zum Stillen und eröffnete den kleinen Patrizier- sprößlingen von untadeliger Herkunft damit eine Welt, von der sie unter normalen Umständen nicht einmal etwas geahnt hätten. Das Ergebnis war, daß ihre drei Kinder bereits lange, bevor an eine offizielle Ausbildung zu denken war, verschiedene Dialekte des Griechischen, des Hebräischen,
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