MoR 02 - Eine Krone aus Gras
des Syrischen und des Gallischen sprachen und außerdem dreierlei Latein — das ihrer Vorfahren, das der unteren Klassen und das besondere Kauderwelsch, das nur in der Subura gesprochen wurde. Sie hatten mit eigenen Augen gesehen, wie die Menschen in den Elendsvierteln von Rom lebten, hatten alle möglichen Dinge gegessen, die Ausländern als Leckerbissen galten, und sprachen die schweren Jungs aus Lucius Decumius’ Kreuzwegeverein und offiziell anerkannter Bruderschaft mit Vornamen an.
Aurelia war überzeugt, daß ihnen das nicht ernsthaft schaden konnte. Sie war freilich keine Rebellin oder Reformerin, und sie hielt an den Grundwerten ihrer Vorfahren fest. Aber daneben empfand sie eine echte Liebe zu wirklicher Arbeit und ein beharrliches, neugieriges Interesse an Menschen. In ihrer behüteten Jugend war ihr Vorbild Cornelia, die Mutter der Gracchen, gewesen. Sie hatte die heldenhafte und vom Unglück verfolgte Frau für die größte Römerin aller Zeiten gehalten. Inzwischen war sie reifer geworden und hielt sich an etwas Konkreteres und Nützlicheres, nämlich ihren eigenen gesunden Menschenverstand. So konnte sie nichts Schlimmes daran finden, wenn ihre drei kleinen Patrizier mit vielen verschiedenen Sprachen aufwuchsen, und sie hielt es für eine unschätzbare Erfahrung, wenn sie lernten, daß ihre Spielkameraden niemals auch nur entfernt etwas von der Auszeichnung ahnen würden, die ihnen aufgrund ihrer Geburt zukam.
Aurelia fürchtete die Rückkehr ihres Mannes Gaius Julius Caesar, der nie ein richtiger Ehemann oder Vater gewesen war. Natürlich hätte er in diese beiden Rollen hineinwachsen können, aber er war nie lange genug zu Hause, um das zu tun, und fühlte sich dort deshalb auch nie ganz wohl. Als Patrizierin wußte Aurelia nichts von den Frauen, die ihm zweifellos ab und zu zur Befriedigung seiner elementaren Bedürfnisse dienten, und sie interessierte sich auch gar nicht dafür. Weil sie das Leben ihrer Mieter so hautnah mitbekam, wußte sie, daß Eifersucht oder Liebe Frauen aus anderen Schichten manchmal zu Schreianfällen, ja Mord trieben, aber verstehen konnte sie das nicht. Sie war, den Göttern sei Dank, so erzogen worden, daß sie über diesen Dingen stand und ihre Gefühle besser im Griff hatte. Daß es auch viele Frauen aus ihrer eigenen Schicht gab, die schrecklich unter Eifersucht oder Enttäuschung zu leiden hatten, kam ihr nicht in den Sinn.
Nein, wenn Caesar einmal endgültig nach Hause kam, würde es Ärger geben, das stand für Aurelia fest. Aber sie hob sich dieses Problem für den Tag auf, an dem es sich stellen würde, und genoß das Leben inzwischen in vollen Zügen. Über ihre drei Kinder und die Sprachen, die sie auf der Straße verwendeten, machte sie sich keine Sorgen. Geschah schließlich nicht Ähnliches auf dem Palatin oder in den Carinae, wenn Frauen ihre Sprößlinge Kindermädchen aus aller Herren Länder anvertrauten? Nur wurden in solchen Fällen die Ergebnisse ignoriert und unter irgendein Möbel gekehrt, und sogar die Kinder lernten, dieses Versteckspiel mitzumachen und zu verbergen, was sie für die Mädchen oder Frauen empfanden, die sie oft viel besser kannten als ihre Mütter.
Der kleine Gaius Julius allerdings war ein besonderer Fall, und ein recht schwieriger dazu. Sogar die tüchtige Aurelia spürte den Atem einer unbekannten Bedrohung in ihrem Nacken, wenn sie über diesen, ihren einzigen Sohn, seine Eigenschaften und seine Zukunft nachdachte. Als sie zum Abendessen bei Julia gewesen war, hatte sie Julia und Aelia gegenüber zugegeben, daß er sie manchmal an den Rand des Wahnsinns trieb, und jetzt war sie froh, daß sie diese Schwäche eingestanden hatte, denn Aelia hatte ihr vorgeschlagen, den kleinen Caesar einem Erzieher zu übergeben.
Aurelia hatte natürlich schon von hochbegabten Kindern gehört, aber immer angenommen, sie stammten aus ärmeren, bescheideneren Verhältnissen und nicht aus Senatorenfamilien. Viele Eltern solcher Kinder hatten ihren Onkel und Stiefvater Marcus Aurelius Cotta aufgesucht und ihn um Geld gebeten, das ihren begabten Nachkommen einen besseren Start ins Leben ermöglichen sollte, als ihre eigenen Mittel erlaubten — wofür sie im Gegenzug bereit waren, auf Lebenszeit als Klienten in seine Dienste zu treten. Cotta hatte solchen Ersuchen immer gerne entsprochen, weil ihm die Vorstellung gefiel, er und seine Söhne könnten später, wenn die Kinder erwachsen waren, von den Diensten so hochbegabter Menschen profitieren.
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