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MoR 02 - Eine Krone aus Gras

Titel: MoR 02 - Eine Krone aus Gras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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für die Bürger der italischen Bundesgenossen in den unteren Schichten der Stadt geführt.
    »Zu viele Soldaten der italischen Bundesgenossen sind gefallen, weil sie in römischen Heeren gedient haben, die von militärischen Schwachköpfen befehligt wurden«, sagte der Statthalter barsch zu Marius. »Ihre Felder verwildern, ihre Söhne bleiben ungeboren. Und irgendwann geht in Lucania, in Samnium, in Apulia einmal das Geld aus! Die italischen Bundesgenossen müssen Hilfstruppen ausrüsten und dann auch noch für deren Unterhalt im Namen Roms zahlen! Warum, Gaius Marius? Damit Rom eine Straße zwischen dem italischen Gallien und Spanien bauen kann? Was nützt das einem Apulier oder Lucanier? Wann wird er sie je benutzen? Oder sollen die Hilfstruppen afrikanischen und sizilianischen Weizen nach Rom transportieren? Wieviel von diesem Weizen bekommt ein Samnite, wenn eine Hungersnot herrscht? Seit vielen Jahren bezahlen römische Bürger Italiens keine direkten Steuern mehr an Rom. Aber wir in Apulia und Calabria, in Lucania und Bruttium, wir müssen unaufhörlich römische Steuern zahlen! Womöglich sollen wir oder wenigstens die Einwohner von Brundisium Rom für die Via Appia dankbar sein. Aber wie oft bestellt Rom einen Aufseher, der dafür sorgt, daß die Straße wenigstens einigermaßen in gutem Zustand ist? An einer Stelle — du mußt daran vorbeigekommen sein — hat eine Überschwemmung schon vor zwanzig Jahren das Straßenfundament fortgespült. Und ist die Stelle repariert worden? Nein! Und wird sie je repariert werden? Nein! Und doch besteuert uns Rom und preßt uns aus, nimmt uns unsere jungen Männer weg und schickt sie in seine Kriege in fernen Ländern, wo sie sterben, und als nächstes stellt dann ein römischer Grundbesitzer bei uns den Fuß in die Tür, und schon hat er unser Land verschlungen. Er schafft Sklaven her, die seine riesigen Herden hüten, kettet sie bei der Arbeit an, sperrt sie zum Schlafen in Baracken, und wenn sie sterben, kauft er einfach neue. Bei uns gibt er nichts aus und investiert nichts. Von all dem Geld, das er zusammenrafft, sehen wir keinen Sesterz; er stellt nicht einmal Einheimische in seine Dienste. Unser Wohlstand wird durch ihn nicht etwa gefördert, sondern vermindert. Es ist Zeit, Gaius Marius, daß Rom entweder großzügiger mit uns verfährt oder uns gehen läßt!«
    Marius hatte sich die lange und leidenschaftliche Rede unbewegt angehört. Ähnliche, weniger ausführliche Variationen desselben Themas hatte er überall an der Via Appia zu hören bekommen.
    »Ich werde tun, was ich kann, Marcus Porcius Cleonymus«, sagte er dann bedächtig. »Ich versuche schon seit einigen Jahren, etwas zu tun. Daß ich dabei wenig Erfolg hatte, liegt in erster Linie daran, daß viele Senatoren und höhere römische Beamte nicht so reisen, wie ich es tue, unterwegs nicht mit Einheimischen sprechen, und — bei Apollo — mit ihren Augen nicht zu sehen verstehen. Du weißt sicher, daß ich die unverzeihliche Verschwendung von Menschenleben in den römischen Heeren immer wieder getadelt habe. Und mir scheint, daß die Zeiten, da unsere Heere von militärischen Schwachköpfen befehligt wurden, im großen und ganzen vorüber sind. Und wenn niemand sonst den Senat in Rom darüber belehrt hat — ich tat es. Seit Gaius Marius, der homo novus, den adligen römischen Amateuren gezeigt hat, was ein Feldherr zu tun hat, ist der Senat, wie ich festgestellt habe, eher geneigt, römische Armeen auch homines novi anzuvertrauen, die ihre militärischen Fähigkeiten unter Beweis gestellt haben.«
    »Schön und gut, Gaius Marius«, sagte Cleonymus leise, »aber davon werden die Toten nicht wieder lebendig, und die Bauernhöfe stehen nach wie vor leer.«
    »Ich weiß.«
    Als ihr Schiff in See stach und das große viereckige Segel sich entfaltete, lehnte Gaius Marius an der Reling und sah zu, wie Tarentum und die Bucht zu einem blauen Fleck und dann zu einem Nichts schrumpften. Er dachte über die mißliche Lage der italischen Bundesgenossen nach. Tat er es, weil er so oft ein Italiker genannt worden war, ein Nichtrömer? Oder weil er bei all seinen Fehlern und Schwächen einen Sinn für Gerechtigkeit hatte? Oder ging ihm die stümperhafte Ineffizienz, die dahintersteckte, gegen den Strich? Von einem jedenfalls war er felsenfest überzeugt: Der Tag würde kommen, an dem die italischen Bundesgenossen Roms abrechnen würden. Sie würden das volle römische Bürgerrecht für jeden freien Mann auf der

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