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MoR 02 - Eine Krone aus Gras

Titel: MoR 02 - Eine Krone aus Gras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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Silo. Aber bevor ich es vorlese, soll jeder Senator von dir hören, daß du anwesend bist und zuhören wirst.«
    »Ich bin anwesend, Lucius Marcius, und ich werde zuhören.« Auch Drusus’ Stimme war klar und kalt.
    Drusus sieht müde aus, dachte Gaius Marius. Als ob seine Kraft verbraucht sei und nur noch seine Willenskraft ihn aufrechthalte. In den letzten Wochen hatte er viel Gewicht verloren; seine Wangen waren eingefallen, seine Augen lagen tief in den Höhlen und waren von dunklen Schatten umgeben.
    Warum komme ich mir vor wie ein Sklave in einer Tretmühle? fragte sich Marius verwundert. Warum bin ich so gereizt, so sehr von Angst und Vorahnungen erfüllt? Drusus hatte nicht die Zähigkeit des Marius und auch nicht seine unerschütterliche Überzeugung, immer recht zu haben. Er war zu gerecht, zu vernünftig, und er neigte zu sehr dazu, beide Seiten einer Sache zu berücksichtigen. Sie würden ihn töten, wenn nicht physisch, so doch geistig. Warum hatte er nie erkannt, wie gefährlich dieser Philippus war? dachte Marius. Warum hatte er nie erkannt, wie brillant er war?
    Philippus entrollte das Schriftstück und hielt es mit ausgestreckten Armen vor sich. »Ich mache keine einleitenden Bemerkungen, Senatoren«, sagte er. »Ich lese das Dokument nur vor, ihr könnt dann eure eigenen Schlüsse ziehen. Also.
    >Ich schwöre bei Jupiter Optimus Maximus, bei Vesta, bei Mars, bei Sol Indiges, bei Terra und bei Tellus, bei den Göttern und Helden, die das Volk von Italien begründet und in seinen Kämpfen unterstützt haben, daß ich alle Freunde und Feinde des Marcus Livius Drusus als meine Freunde und Feinde betrachten werde. Ich schwöre, daß ich mich für das Wohl des Marcus Livius Drusus und aller anderen einsetzen werde, die diesen Eid ablegen, auch auf Kosten meines Lebens oder des Lebens meiner Kinder und Eltern und auf Kosten meines Besitzes. Wenn ich durch die Gesetze des Marcus Livius Drusus Bürger von Rom werde, schwöre ich, daß ich Rom immer als meine einzige Heimat ehren werde und daß ich mich Marcus Livius Drusus als Klient verpflichte. Ich lege diesen Eid ab und werde ihn an möglichst viele Italiker weiterreichen. Ich schwöre in dem Wissen, daß mein Vertrauen belohnt wird. Wenn ich eidbrüchig werde, mag man mir, meinen Kindern und meinen Eltern Leben und Besitz nehmen. So sei es. Das schwöre ich.<«
    Noch nie war der Senat so still gewesen. Philippus sah, daß Scaurus mit offenem Mund dasaß, daß Marius grimmig lächelte, daß Scaevola die Lippen zusammengepreßt und Ahenobarbus einen roten Kopf bekommen hatte. Catulus Caesar sah entsetzt aus, Sextus Caesar traurig, Metellus Pius das Ferkel wirkte konsterniert, Caepio zeigte unverhüllte Freude.
    Philippus öffnete die linke Hand, und das Schriftstück rollte sich mit einem lauten Schnappen zusammen. Die meisten Senatoren zuckten zusammen.
    »Das also, Senatoren, ist der Eid, den Tausende und Abertausende von Italikern im Verlauf des letzten Jahres geschworen haben. Und das ist der Grund, Senatoren, warum Marcus Livius Drusus so hart, so unbeirrbar und begeistert daran gearbeitet hat, seinen Freunden in Italien das kostbare Geschenk des römischen Bürgerrechts zu machen!« Philippus schüttelte müde den Kopf. »Nicht weil ihm die dreckigen Italiker irgend etwas bedeuten würden! Nicht weil er an die Gerechtigkeit glaubt — auch wenn es eine perverse Gerechtigkeit wäre! Nicht weil er von einer glanzvollen Karriere träumt, durch die er in die Geschichtsbücher eingehen würde! Sondern, ehrwürdige Mitglieder dieses Hauses, weil ihm der größte Teil Italiens einen Klienteneid geschworen hat! Wenn wir Italien das Bürgerrecht geben, dann gehört Italien dem Marcus Livius Drusus! Stellt euch das vor! Seine Klientel würde sich vom Arno bis nach Rhegium, vom Tyrrhenischen Meer bis zur Adria erstrecken! Ich gratuliere dir, Marcus Livius! Welch ein Lohn! Welch nobles Motiv deiner unermüdlichen Arbeit! Eine Klientel, die größer ist als hundert Armeen!«
    Philippus stieg vom kurulischen Podium herab und ging gemessenen Schrittes um die Ecke des Podiums zum Ende der langen Tribunenbank, auf der Drusus saß.
    »Marcus Livius Drusus, ist es wahr, daß ganz Italien diesen Eid geschworen hat?« fragte Philippus. »Ist es wahr, daß du im Gegenzug geschworen hast, ganz Italien das Bürgerrecht zu geben?«
    Drusus erhob sich taumelnd. Sein Gesicht war weißer als seine Toga, eine Hand hielt er in einer Geste ausgestreckt, von der niemand sagen

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