Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

MoR 02 - Eine Krone aus Gras

Titel: MoR 02 - Eine Krone aus Gras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
Vom Netzwerk:
müssen, welche Folgen es haben konnte, wenn ein einzelner Mann das Bürgerrecht an mehrere hunderttausend Männer verlieh. Daß diese Folgen erst bemerkt worden waren, als Philippus den Eid vorlas, zeigte, wie emotionsgeladen diese Frage war, wie sehr die Vernunft fehlte. Es gab einen Sturm der Gefühle, der so stark war, daß er jede praktische Erwägung verhinderte. Warum hatte er, Drusus, erwartet, daß die anderen die Logik dessen erkennen würden, was er tat? Sie waren so sehr emotional betroffen, daß sie nicht einmal erkannt hatten, wie viele Klienten er dann haben würde. Aber wenn sie das nicht erkannt hatten, dann konnte er nicht hoffen, daß sie die Logik seiner Politik erkennen würden, soviel war sicher.
    Seine Augenlider fielen herab, und er sank in einen tiefen, erholsamen Schlaf.
    Als der Morgen graute, machte Drusus sich auf den Weg zur Curia Hostilia. Er fühlte sich wie neugeboren und Männern wie Philippus und Caepio voll gewachsen.
    Wieder leitete Philippus die Sitzung. Er stellte alle anderen Angelegenheiten einschließlich des Heereszuges der Marser hinten an und kam sofort auf Drusus und den Eid zu sprechen, den die Italiker geschworen hatten.
    »Ist der Text korrekt, den ich gestern vorgelesen habe, Marcus Livius?«
    »Soviel ich weiß, ja, Lucius Marcius. Obwohl ich den Eid zuvor weder gehört noch gelesen habe.«
    »Aber du hast davon gewußt.«
    Drusus riß die Augen auf; er hätte nicht überraschter aussehen können. »Aber natürlich wußte ich davon, Konsul! Es ist doch unmöglich, daß jemand von einer für ihn — und ganz Rom! — so vorteilhaften Sache nichts weiß! Wenn du das Bürgerrecht für ganz Italien gefordert hättest, hättest du nicht auch mit so etwas gerechnet?«
    Drusus hatte zurückzuschlagen begonnen. Philippus stutzte und verlor für einen Augenblick die Fassung.
    »Ich würde nie irgend etwas für die Italiker fordern, außer einer gehörigen Tracht Prügel!« erklärte er hochmütig.
    »Dann bist du ein noch viel größerer Narr, als ich angenommen hatte!« rief Drusus. »Wir stehen vor einer umfassenden Aufgabe, Senatoren! Es geht darum, ein seit Generationen bestehendes Unrecht gutzumachen, unserem ganzen Land eine Vorherrschaft zu ermöglichen, die wirklich und wünschenswert ist, einige der schrecklichen Barrieren zwischen den verschiedenen Klassen unserer Gesellschaft zu beseitigen, dem drohenden Krieg zu begegnen — und dieser Krieg droht uns wirklich, ich warne euch! — und jeden einzelnen der neuen Römer durch einen Eid an Rom, an das Rom der Römer zu binden! Dieser letzte Punkt ist lebenswichtig! Nur so kann gewährleistet werden, daß die neuen Bürger lernen, römisch zu denken und zu handeln, daß sie wissen, wie und wen man wählt, und daß sie wirkliche Römer wählen und nicht Männer ihrer eigenen Völker!«
    Das leuchtete den Senatoren ein. Drusus meinte geradezu sehen zu können, wie sich gerade der letztgenannte Gesichtspunkt in den Köpfen der gebannt lauschenden Senatoren festsetzte. Er kannte die größte Furcht seiner Kollegen gut — daß durch die überwältigende Zahl neuer römischer Bürger, die über das ganze Land verteilt lebten, der Anteil der echten Römer bei den Wahlen zurückgedrängt werden könnte, daß Italiker sich um die Ämter des Konsuls, des Prätors, des Ädils, des Volkstribuns und des Quästors bewerben könnten und daß sie im Senat die Mehrheit stellen und zuletzt den Senat und die Römer entmachten könnten. Ganz abgesehen von den Komitien der Volksversammlung. Aber wenn die neuen Römer durch einen Klienteneid an Rom gebunden wären, wären sie verpflichtet, so zu wählen, wie ihnen gesagt würde. Das war die Pflicht der Klienten.
    »Die Italiker sind Ehrenmänner, genau wie wir«, fuhr Drusus fort. »Das haben sie schon dadurch bewiesen, daß sie den Eid abgelegt haben! Als Gegenleistung für die Gabe des Bürgerrechts werden sie tun, was die Römer ihnen sagen. Die echten Römer!«
    »Du meinst, was du ihnen sagst!« rief Caepio giftig. »Wir, die anderen echten Römer, haben dann einen neuen Diktator!«
    »Unsinn, Quintus Servilius! Habe ich denn während meines Volkstribunats auch nur ein einziges Mal etwas anderes getan, als den Willen des Senats auszuführen? Wann habe ich mich mehr um mein eigenes Wohlergehen gekümmert als um das des Senats? Wann habe ich den Bedürfnissen des römischen Volkes die kalte Schulter gezeigt? Welchen besseren Schutzherrn hätten die Italiker finden können als mich, den

Weitere Kostenlose Bücher