MoR 02 - Eine Krone aus Gras
konnte, ob sie beschwörend oder abwehrend gemeint war. Und dann, als er den Mund zu einer Antwort öffnete, stürzte er in voller Länge auf die schwarzen und weißen Steinchen des Mosaikfußbodens. Philippus trat geziert einen Schritt zurück.
Marius und Scaurus knieten fast so schnell neben Drusus, wie er gestürzt war.
»Ist er tot?« fragte Scaurus, während Philippus die Sitzung auf den nächsten Morgen vertagte.
Marius hatte sein Ohr auf Drusus’ Brust gelegt. Dann schüttelte er den Kopf. »Ein schwerer Zusammenbruch, aber tot ist er nicht.« Er atmete erleichtert auf.
Drusus’ Bewußtlosigkeit dauerte so lange, daß sein Gesicht grau und fleckig wurde. Seine Arme und Beine bewegten sich, zuckten mehrmals heftig, während er furchtbare und erschreckende Laute ausstieß.
»Er hat einen Anfall!« rief Scaurus.
»Nein, das glaube ich nicht«, sagte Marius, der auf seinen Feldzügen fast alles kennengelernt hatte und in solchen Dingen erfahren war. »Wenn ein Mann so lange bewußtlos ist, kommt es häufig zu Zuckungen, aber meist gegen Ende der Bewußtlosigkeit. Er wird bald zu sich kommen.«
Philippus blieb auf dem Weg zum Ausgang kurz stehen, aber weit genug entfernt, um sicher zu sein, daß seine Toga nicht beschmutzt werden würde, falls Drusus sich übergeben mußte. »Schafft den Hund hinaus!« sagte er verächtlich. »Wenn er stirbt, laßt ihn nicht auf diesem heiligen Boden sterben!«
Marius hob den Kopf. »Verschwinde, du Wicht«, sagte er so laut zu Philippus, daß alle es hören konnten, die sich in der Nähe befanden.
Philippus ging schnell weiter. Wenn es einen Menschen auf der Welt gab, vor dem er sich fürchtete, so war es Gaius Marius.
Drusus brauchte lange, bis er das Bewußtsein wiedererlangte. Marius sah erfreut, daß sich Sulla unter den Wartenden befand.
Als Drusus endlich zu sich kam, schien er sich nicht daran erinnern zu können, was sich ereignet hatte oder wo er sich befand.
»Ich lasse Julias Sänfte kommen«, sagte Marius zu Scaurus. »Bis die Sänfte kommt, kann er hier liegenbleiben.« Marius hatte seine Toga ausgezogen; sie diente Drusus als Kopfkissen und als Decke, denn er fror.
»Ich bin am Boden zerstört!« sagte Scaurus. Er saß auf dem Rand des kurulischen Podiums, und da er sehr klein war, hingen seine Beine in der Luft. »Wirklich, das hätte ich von diesem Mann niemals gedacht!«
Marius schnaubte verächtlich. »Unsinn, Marcus Aemilius! Du hättest so etwas von einem römischen Adligen niemals gedacht? Ich jedenfalls würde eher das Gegenteil nicht glauben! Beim Jupiter, was ihr euch alle einbildet!«
Scaurus’ helle Augen glänzten. »Beim Jupiter, du italischer Kürbis, wie du uns doch immer wieder durchschaust!« Seine Schultern zuckten vor unterdrücktem Lachen.
»Jemand muß euch durchschauen, du Knochenhaufen!« sagte Marius gutmütig. Er setzte sich neben den Senatsvorsitzenden und sah die anderen drei Männer an, die noch anwesend waren — Antonius Orator, Scaevola und Lucius Cornelius Sulla. »Nun, meine Herren«, sagte er, streckte seine Beine aus und wackelte mit den Füßen, »was machen wir jetzt?«
»Nichts«, sagte Scaevola kurz.
»Lieber Quintus Mucius, bitte vergib unserem armen, bewußtlosen Volkstribun seine römische Schwäche!« rief Marius und stimmte in Scaurus’ Gelächter ein.
Scaevola war beleidigt. »Es mag eine römische Schwäche sein, Gaius Marius, aber es ist keine Schwäche, die ich an mir selbst beobachten kann!«
»Nein, wahrscheinlich nicht — und deshalb wirst du ihm auch nie das Wasser reichen können, mein Freund.« Marius zeigte mit dem Fuß auf Drusus, der noch immer auf dem Boden lag.
Scaevola verzog angewidert das Gesicht. »Gaius Marius, du bist unmöglich! Und was dich angeht, Senatsvorsitzender, so nimm bitte zur Kenntnis, daß diese Sache keineswegs zum Lachen ist!«
»Wir haben Gaius Marius’ Frage noch nicht beantwortet«, warf Antonius Orator beschwichtigend ein. »Was machen wir jetzt?«
»Das können wir nicht entscheiden«, erklärte Sulla. »Er muß es selbst wissen.«
»Du hast recht, Lucius Cornelius!« rief Marius. Er stand auf, denn er hatte das vertraute Gesicht eines Sänftenträgers seiner Frau entdeckt, der furchtsam vor der großen Bronzetür stehengeblieben war. »Kommt mit, ihr Jammerlappen, wir bringen den armen Burschen nach Hause.«
Der arme Drusus war immer noch im Delirium und in einer fremden Welt, als sie ihn seiner Mutter brachten. Sie weigerte sich vernünftigerweise,
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