MoR 02 - Eine Krone aus Gras
sollte möglichst zentral gelegen sein, abseits der römischen Hauptstraße, aber trotzdem an einer guten Straße, einer Römerstraße. Fast sofort stand Silo ein felsiger, abweisender Ort vor Augen, eine Stadt mit hohen Festungsmauern, eingebettet in den Zentralapennin und mit Wasser, das nie versiegte. Corfinium an der Via Valeria und am Aternus war eine Stadt der Paeligner an der Grenze zu den Marrukinern.
Schon drei Tage nach Drusus’ Tod kamen sie also in Corfinium zusammen, die Anführer acht italischer Stämme und viele Gefolgsleute — Marser, Samniten, Marrukiner, Vestiner, Paeligner, Frantaner, Picenter und Hirpiner. Sie waren aufgeregt und entschlossen.
»Es ist Krieg«, sagte Mutilus fast gleich zu Anfang der Beratung. »Es muß Krieg sein, Italiker! Rom verweigert uns den Rang und die Würde, die uns bei unseren Taten und unserer Stärke zustehen. Schaffen wir uns ein eigenes Land, das nichts zu tun hat mit Rom und den Römern! Holen wir uns die römischen und latinischen Kolonien innerhalb unserer Grenzen zurück! Nehmen wir unser Schicksal selbst in die Hand, mit unseren Leuten und unserem Geld!«
Die kämpferische Erklärung wurde mit Beifallrufen und trampelnden Füßen begrüßt, eine Reaktion, die Mutilus anfeuerte und Silo ermutigte, denn der eine haßte Rom bis aufs Blut, der andere glaubte nicht an Rom.
»Schluß mit den Steuern für Rom!« rief Mutilus. »Schluß mit den Soldaten für Rom! Schluß mit Land für Rom! Schluß mit römischen Peitschen auf nackten italischen Rücken! Schluß mit der römischen Schuldknechtschaft! Schluß mit den Verbeugungen, den Kratzfüßen und der Kriecherei vor Rom! Wir schaffen uns eine eigene Macht! Wir treten an die Stelle Roms! Denn bald, Italiker, liegt Rom in Schutt und Asche!«
Da es in Corfinium weder eine Halle noch ein Forum für zweitausend Männer gab, fand die Versammlung auf dem öffentlichen Marktplatz statt. Der Beifallssturm, der auf den zweiten Teil von Mutilus’ Rede hin losbrach, stieg donnernd zum Himmel auf und rollte als brandende Woge über die Stadt, wo sie die Vögel verschreckte und den Pöbel einschüchterte.
Jetzt ist es entschieden, dachte Silo und lauschte dem Lärm. Alles ist entschieden.
Doch noch war nichts entschieden. Zuerst brauchte das neue Land einen Namen.
»Italia!« schrie Mutilus.
Auch Italias neue Hauptstadt, das jetzige Corfinium, brauchte einen neuen Namen.
»Italica!« schrie Mutilus.
Dann brauchte man eine Regierung.
»Ein Rat von fünfhundert Männern«, schlug Silo vor. »Sie werden aus den Stämmen ausgelost, die sich Italia anschließen.« Mutilus hatte ihm bereitwillig Platz gemacht. Er war das Herz, Silo der Kopf Italias. »Dieses concilium Italiae wird alle Rechtsgrundsätze einschließlich unserer Verfassung ausarbeiten und für ihre Durchsetzung sorgen. Es soll hier, in unserer neuen Hauptstadt Italica, seinen ständigen Sitz haben. Doch ihr wißt alle: Bevor Italica Wirklichkeit werden kann, müssen wir Krieg gegen Rom führen. Bis zum Sieg über Rom, der uns sicher ist, braucht Italia einen Kriegsrat aus zwölf Prätoren und zwei Konsuln. Ich weiß, das sind römische Namen. Aber sie erfüllen ihren Zweck, und so ist es am einfachsten. Unter Aufsicht und mit Zustimmung des concilium Italiae soll dieser Kriegsrat unseren Krieg gegen Rom leiten.«
»In Rom nimmt das doch keiner ernst!« brüllte der Vestiner Titus Lafrenius. »Zwei Namen! Wir haben nicht mehr zu bieten als einen Namen für ein Land, das es nicht gibt, und einen neuen Namen für eine alte Stadt!«
»Rom nimmt uns ernst«, entgegnete Silo unbeirrt, »wenn wir Münzen prägen und Baumeister beauftragen, ein prächtiges Stadtzentrum zu errichten! Unsere erste Münze wird die acht Gründerstämme von Italia zeigen, versinnbildlicht durch acht Männer mit gezückten Schwertern, die Rom in Gestalt eines Schweines opfern. Die Rückseite wird das Antlitz einer neuen Gottheit im italischen Pantheon tragen: der Italia! Unser Tier wird der samnitische Stier sein, unser Schutzgott Liber Pater, der Vater der Freiheit, der einen Panther an der Leine führen wird, denn so zahm werden wir Rom machen! Und noch vor Jahresende wird die neue Hauptstadt Italica ein Forum so groß wie das römische Forum haben, ein Versammlungshaus, das fünfhundert Mann faßt, einen Tempel der Italia, größer als der Ceres-Tempel Roms, und einen Tempel des Jupiter Italiae, größer als der Tempel des Jupiter Optimus Maximus in Rom! Wir werden Rom ebenbürtig
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