MoR 02 - Eine Krone aus Gras
Halbdunkel, da die Sonne bereits untergegangen war. Drusus stand eine Zeitlang scherzend und lachend unter seinen Bewunderern und ermahnte sie, morgen richtig abzustimmen. Dann begannen sie sich in kleinen Gruppen von ihm zu verabschieden, bis nur noch ein paar Männer bei ihm waren. Die kurze Dämmerung war fast vorüber, und die Nischen hinter den Säulen und die vielen Alkoven lagen in undurchdringlicher Dunkelheit, da die Lampen noch nicht entzündet worden waren.
Die letzten Männer wandten sich dem Ausgang zu. Einer der Männer stieß in der Dunkelheit hart mit Drusus zusammen. Drusus fühlte, wie der Bausch seiner Toga heruntergerissen wurde, und spürte einen scharfen, brennenden Schmerz in seiner rechten Lende. Er unterdrückte einen Aufschrei, denn obwohl diese Männer zu seiner Gefolgschaft gehörten, waren sie dennoch Fremde. Dann eilten sie mit der Bemerkung hinaus, es sei plötzlich dunkel geworden und sie wollten nach Hause, bevor es auf den nächtlichen Gassen Roms zu gefährlich würde.
Halb bewußtlos vor Schmerz, stand Drusus in dem Vorraum, der zum Garten führte. Den linken Arm hielt er nach oben, denn die vielen Falten seiner Toga behinderten ihn. Er wartete, bis der Türwächter am anderen Ende des Peristyls die letzten Männer auf die Straße hinausgelassen hatte, dann wollte er sich umwenden und zu seinem Arbeitszimmer gehen, wo seine Freunde warteten. Aber sobald er sich auch nur leicht bewegte, explodierte der unerklärliche, siedende Schmerz. Nun konnte er den Schrei nicht mehr unterdrücken, der unerbittlich aus seiner Brust drang. Eine warme Flüssigkeit lief plötzlich an seinem rechten Bein hinunter. Es war schrecklich!
Als Scaurus und die anderen aus dem Arbeitszimmer stürzten, war Drusus bereits auf die Knie gesunken. Die Hand hatte er an die rechte Hüfte gepreßt. Nun hob er sie und starrte sie erstaunt an, denn sie war voller Blut. Sein Blut. Langsam glitt er auf den Boden wie ein leerer Sack, aus dem die Luft entweicht. Dann lag er mit weit geöffneten Augen da und keuchte vor Schmerzen.
Marius wußte sofort, was zu tun war. Er befreite Drusus’ rechte Hüfte von der Toga, bis das Heft des Messers sichtbar wurde, das aus dem oberen Teil der Hüfte ragte.
»Lucius Cornelius, Quintus Mucius, Marcus Antonius: Jeder von euch holt einen Arzt!« befahl Marius knapp. »Senatsvorsitzender, laß die Lampen anzünden — alle Lampen!«
Ohne Vorwarnung schrie Drusus auf, und es war ein furchtbarer Schrei, der zu dem gemalten Sternenhimmel an der Decke des Atriums aufstieg und dort zu verweilen schien wie eine Fledermaus, die von Balken zu Balken flatterte. Plötzlich belebte sich das Atrium, Sklaven eilten schreiend hin und her, der Verwalter Cratippus half Scaurus, die Lampen zu entzünden, und Cornelia Scipionis rannte herein, gefolgt von allen sechs Kindern, und kniete an der Seite ihres Sohnes auf dem blutüberströmten Boden nieder.
»Mordanschlag«, sagte Marius grimmig.
»Ich muß seinen Bruder holen lassen«, sagte die Mutter und stand auf. Der Saum ihres Kleides war blutrot.
Niemand beachtete die sechs Kinder, die hinter Marius standen und die Szene auf dem Boden mit offenen Mündern beobachteten. Ihre weit aufgerissenen Augen waren auf die immer größer werdende Blutlache, auf das schmerzverzerrte Gesicht ihres Onkels und auf den schmutzigen Griff gerichtet, der aus seinem Leib ragte. Drusus schrie nun ununterbrochen. Die Schmerzen wuchsen in dem Maß, in dem die inneren Blutungen auf die großen Nervenbahnen seines Beines drückten. Bei jedem neuen Schmerzensschrei zuckten die Kinder zusammen und wimmerten. Schließlich riß sich der junge Caepio zusammen, nahm seinen mageren kleinen Bruder Cato auf den Arm und drückte dessen zitternden Kopf gegen seine Brust, so daß er Drusus nicht mehr sehen konnte.
Erst als Cornelia Scipionis zurückkam, wurden die Kinder entdeckt und unter der Obhut eines weinenden und zitternden Kindermädchens in ihre Zimmer verbannt. Die Mutter kniete wieder neben Drusus nieder, doch sie war so hilflos wie Marius, der auf der anderen Seite kniete.
In diesem Augenblick erschien Sulla wieder. Es schien, als müsse er den Arzt Apollodorus Siculus beinahe tragen. Er stieß ihn neben Marius auf den Boden. »Dieser kaltherzige Halunke wollte sein Essen nicht kalt werden lassen.«
»Er muß in ein Bett gelegt werden, bevor ich ihn untersuchen kann«, sagte der aus Sizilien stammende Grieche, der nach Sullas hartem Griff noch immer nach Atem
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