MoR 02 - Eine Krone aus Gras
dunkel und hübsch.
»Was suchst du hier?« fragte Sulla und trat in den Schein einer Lampe.
Sie erschrak, als sie den feurigen Schein seiner rotgoldenen Haare sah; einen Augenblick lang glaubte sie, den toten Cato Salonianus vor sich zu haben. Aus ihren Augen blitzte Haß, der aber rasch wieder erstarb. »Und wer bist du, daß du mich fragen darfst?« fragte sie hochmütig.
»Lucius Cornelius Sulla. Wie heißt du?«
»Servilia.«
»Zurück ins Bett, junge Dame. Hier darfst du nicht bleiben.«
»Ich suche meinen Vater«, sagte sie.
»Quintus Servilius Caepio?«
»Ja, meinen Vater!«
Sulla lachte. Sie war ihm gleichgültig, er hatte keinen Grund, ihr etwas zu ersparen. »Warum sollte er hier sein, du dummes Kind, wenn die halbe Welt glaubt, daß er Marcus Livius ermorden ließ?«
Ihre Augen blitzten auf, dieses Mal vor Freude. »Wird er wirklich sterben? Wirklich?«
»Ja.«
»Gut!« sagte sie heftig, öffnete eine Türe und verschwand.
Sulla zuckte die Schultern und kehrte in das Arbeitszimmer zurück.
Kurz nach der Morgendämmerung erschien Cratippus. »Marcus Aemilius, Gaius Marius, Marcus Antonius, Lucius Cornelius, Quintus Mucius, der Herr möchte euch sprechen.«
Statt der Schreie waren jetzt nur noch vereinzelt gurgelnde Laute zu hören. Den Männern im Arbeitszimmer war klar, was dies bedeutete. Sie eilten hinter dem Verwalter her und zwängten sich zwischen den Senatoren durch, die im Atrium warteten.
Drusus’ Haut war weiß wie das Laken auf seinem Bett. Sein Gesicht war nur noch eine Maske, in die ein Dämon ein leuchtendes, lebhaftes Paar dunkler Augen gesetzt hatte.
Auf der einen Seite des Bettes stand Cornelia Scipionis, tränenlos und aufrecht, auf der anderen Seite stand Mamercus Aemilius Lepidus Livianus, ebenfalls tränenlos und aufrecht. Die Ärzte waren verschwunden.
»Meine Freunde, ich muß Abschied nehmen«, sagte Drusus.
»Wir sind bei dir«, sagte Scaurus leise.
»Mein Werk wird nun nicht mehr vollendet werden.«
»Nein«, sagte Marius.
»Aber sie mußten es tun, um mich aufzuhalten.« Drusus schrie auf, aber es war ein gedämpfter, erschöpfter Schrei.
»Wer war es?« fragte Sulla.
»Einer von sieben Männern. Ich kenne sie nicht. Gewöhnliche Männer. Aus der dritten Klasse, würde ich sagen. Keine Plebejer.«
»Hast du eine Drohung erhalten?« fragte Scaevola.
»Nein.« Drusus stöhnte erneut auf.
»Wir werden den Mörder finden«, versprach Antonius Orator.
»Oder den Mann, der den Mörder gedungen hat«, setzte Sulla hinzu.
Danach standen sie schweigend am Fuß des Bettes. Sie wollten nicht noch mehr von dem kurzen Leben verschwenden, das Drusus noch verblieb. Drusus’ Atem ging rasselnd, aber die Schmerzen schienen erträglicher geworden zu sein. Plötzlich versuchte Drusus, sich aufzusetzen. Er sah sie mit verschleiertem Blick an.
»Ecquandone?« fragte er laut und klar. »Ecquandone similem mei civem habebit res publica? Wer wird nun an meiner Stelle die Republik schützen?«
Der Schleier hatte sich fast völlig über die schönen Augen gesenkt, sie glänzten nun wie dunkles Gold. Dann starb Drusus.
»Niemand, Marcus Livius«, sagte Sulla. »Niemand.«
V. Kapitel
Quintus Poppaedius Silo erfuhr von Drusus’ Tod in Marruvium durch einen Brief der Cornelia Scipionis, keine zwei Tage nach der Katastrophe. Die kurze Zeit war ein weiteres Zeugnis für die bemerkenswerte Seelenstärke und Geistesgegenwart der Mutter des Toten. Sie hatte ihrem Sohn versprochen, Silo zu benachrichtigen, bevor er die Neuigkeit auf Umwegen erfuhr, und sie hatte Wort gehalten.
Silo weinte, war aber weder überrascht noch wirklich erschüttert. Danach war ihm wohler, und neuer Tatendrang beflügelte ihn. Endlich war die Zeit des Wartens und der Ungewißheit vorbei. Mit dem Tod des Marcus Livius Drusus war jede Hoffnung geschwunden, daß die Italiker das Bürgerrecht auf friedlichem Wege bekommen würden.
Briefe ergingen an den Samniten Gaius Papius Mutilus, den Marrukiner Herius Asinius, den Paeligner Publius Praesenteius, den Picenter Gaius Vidacilius, den Frantaner Gaius Pontidius, den Vestiner Titus Lafrenius und an den augenblicklichen Führer der Hirpiner, eines Volkes, das seine Prätoren bekanntlich oft wechselte. Aber wo sollte man sich versammeln? Die italischen Stämme wußten alle von den beiden römischen Prätoren, welche die Halbinsel bereisten, um die »italische Frage« zu untersuchen, und sie trauten keiner römischen oder latinischen Stadt. Der Treffpunkt
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