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MoR 02 - Eine Krone aus Gras

Titel: MoR 02 - Eine Krone aus Gras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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Ehrentribüne:
    Heil dir, Prätor von Rom!
    Heil dir, und fort mit dir!
    Was brauchen wir, in Asculum hier,
    Roms Vormundschaft, du eitles Tier.
    Guckt ihn euch an, den stolzen Gecken!
    Gleich ist er weg, und das mit Schrecken,
    Und liegt im Dreck.
    Von seinem Thron aus Elfenbein
    Da stürzt das Schwein, ganz tief.
    Noch einen Tritt, bis wir sind quitt,
    Schon wird er bleich wie eine Leich!
    Setzt ihm recht zu, gebt keine Ruh,
    Tretet fest ihm auf die Schuh!
    Weiter kam er mit dem improvisierten Lied nicht. Ein Leibwächter des Quintus Servilius nahm seinen Speer und schleuderte ihn im Sitzen auf den samnitischen Sänger. Die Waffe durchbohrte den Sänger, und tödlich getroffen brach er zusammen. Auf seinem Gesicht lag noch immer ein Ausdruck tiefster Verachtung.
    Im Theater wurde es totenstill. Die Picenter trauten ihren Augen nicht. Keiner wußte, was er tun sollte. Während die Zuschauer erstarrt auf ihren Plätzen saßen, floh der latinische Schauspieler Saunio, ein Publikumsliebling, ans hintere Ende der Bühne und begann von dort aufgeregt eine Ansprache, während vier seiner Kollegen die Leiche fortschleppten und die beiden römischen Schauspieler eilig das Weite suchten.
    »Liebe Picenter, ich bin kein Römer!« rief Saunio. Er klammerte sich wie ein Affe mit einer Hand an einem Stützpfeiler fest und wippte auf und nieder, während er mit der anderen seine Maske schwang. »Ich flehe euch an, werft mich nicht mit diesen Leuten in einen Topf!« Er zeigte auf die Römer auf dem Podium. »Ich bin Latiner, liebe Picenter, auch ich habe unter den Rutenbündeln zu leiden, die durch unser geliebtes Italien marschieren! Auch ich verabscheue die Taten der arroganten römischen Raubtiere!«
    An diesem Punkt stand Quintus Servilius von seinem elfenbeinernen Sessel auf, stieg vom Podium hinab, schritt durch die Orchestra und erklomm die Bühne.
    »Wenn du nicht auch von einem Speer durchbohrt werden willst, Schauspieler, dann scher dich fort!« herrschte er Saunio an. »Nie in meinem Leben habe ich mir derartige Beleidigungen bieten lassen müssen. Schätz dich glücklich, du Abschaum Italiens, wenn ich meinen Leuten nicht befehle, euren ganzen Haufen niederzumachen!«
    Dann wandte er sich dem Publikum zu. Dank der ausgezeichneten Akustik mußte er nicht einmal die Stimme heben, um bis in die oberste Reihe gehört zu werden. »Ich werde die Worte, die hier gefallen sind, nicht vergessen!« verkündete er. »Das Ansehen Roms ist auf unerhörte Weise geschmäht worden! Die Bürger dieses italischen Misthaufens werden teuer dafür bezahlen, das verspreche ich euch!«
    Dann ging alles so schnell, daß später keiner den genauen Hergang schildern konnte. Die fünftausend Picenter drängten als geschlossene, schreiende und prügelnde Masse zu den ersten beiden Reihen hinunter, in denen die Römer saßen. Die Menschen füllten den leeren Halbkreis der Orchestra und schoben sich von dort als feste Mauer aus wogenden Körpern und zerrenden, reißenden Händen auf die Soldaten, Liktoren und togagewandeten römischen Bürger zu. Kein Speer wurde erhoben, kein Schwert gezückt, kein Beil aus dem Rutenbündel gezogen.
    Die Soldaten, die Liktoren und die römischen Bürger und ihre aufgeputzten Frauen wurden buchstäblich in Stücke gerissen. In den ersten Reihen des Theaters floß Blut in Strömen, flogen Leichenteile wie Wurfgeschosse von einer Seite der Orchestra zur anderen. Die Menge brüllte und kreischte und weinte vor Triumph und Haß. Sie riß fünfzig römische Offiziere und zweihundert römische Geschäftsleute mitsamt ihren Frauen in Stücke aus blutigem Fleisch. Fonteius und Fabricius gehörten zu den ersten Opfern.
    Auch für Quintus Servilius aus der Familie der Auguren gab es kein Entrinnen. Noch bevor er einen Schritt tun konnte, waren Zuschauer auf die Bühne gesprungen. Wie im Rausch rissen sie ihm die Ohren ab, zerquetschten ihm die Nase, drückten ihm die Augen aus den Höhlen und rissen ihm die beringten Finger von den Händen. Dann hoben sie den unablässig schreienden Mann an den Füßen, an den Armen und am Kopf hoch und rissen ihn in sechs Stücke.
    Als das gräßliche Schauspiel vorüber war, jubelten und tanzten die Picenter von Asculum und stapelten die Leichen der Römer, die sie im Theater abgeschlachtet hatten, auf dem Forum auf. Dann eilten sie durch die Straßen und metzelten die Römer nieder, die nicht im Theater gewesen waren. Als die Nacht hereinbrach, war in Asculum Picentum kein römischer

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