MoR 02 - Eine Krone aus Gras
würden Obst und Gemüse am Boden verfaulen. Ich habe ihnen nicht das Geschäft verdorben, als ich in dieses kalte und öde Nest kam, ich war der erste, der überhaupt Geschäfte gemacht hat! Am Anfang konnten sie nicht genug für mich tun, da waren sie sehr dankbar. Jetzt bin ich bei den Italikern von Asculum persona non grata. Meine römischen Freunde hier sagen alle dasselbe, Quintus Servilius.«
»Und ich höre überall dasselbe, von Saturnia bis Ariminum«, sagte der mit der Untersuchung der >italischen Frage< beauftragte Prätor.
Als die Sonne im unteren Drittel des Westhimmels stand und die Hitze langsam kühler Bergluft wich, machten sich Publius Fabricius und seine vornehmen Gäste auf den Weg ins Theater. Der provisorische Holzbau lag direkt an der Stadtmauer, die dem Publikum Schatten spendete, während die Sonne noch immer die Bühne beschien. Rund fünftausend Picenter hatten bereits Platz genommen, und nur die beiden ersten Reihen des Halbrunds waren noch leer. Diese Plätze waren für Römer reserviert.
Fabricius hatte in letzter Minute noch in der Mitte der ersten Reihe ein bequemes Podium errichten lassen, das von einem Baldachin beschattet wurde. Dort war ausreichend Platz für Quintus Servilius’ sella curulis, einen Stuhl für seinen Legaten Fonteius und einen dritten Stuhl für Fabricius selbst. Daß die Konstruktion den dahinterliegenden Reihen die Sicht nahm, beunruhigte ihn nicht. Sein Gast war ein römischer Prätor mit prokonsularischem Imperium und damit wichtiger als alle italischen Zuschauer zusammen.
Die Römer betraten den Zuschauerraum durch einen Tunnel, der unter den aufsteigenden Sitzreihen hindurchführte und in einen Umgang ungefähr zwölf Reihen über dem Podium mündete, welches an die Orchestra grenzte, eine leere, halbkreisförmige Fläche zwischen Publikum und Bühne. Voran marschierten die Liktoren mit ihren fasces über den Schultern, dann folgten der Prätor und sein Legat. Zwischen ihnen schritt strahlend Fabricius, hinter ihnen kamen zwanzig Soldaten. Fabricius’ Frau, der man die römischen Gäste nicht vorgestellt hatte, saß mit Freundinnen in der zweiten Reihe rechts neben dem Podium; die erste Reihe war ausschließlich männlichen römischen Bürgern vorbehalten.
Als die Gesellschaft auftauchte, ging ein Murmeln durch die Reihen des Publikums. Die Picenter beugten sich vor und reckten neugierig die Hälse. Aus dem Murmeln wurde ein Brummen und dann ein Gebrüll und Geschrei, in das sich Buhrufe und Gezisch mischten. Quintus Servilius aus der Familie der Auguren war insgeheim verblüfft und bestürzt über den feindseligen Empfang, erklomm aber trotzdem stolz das Podium und nahm hoheitsvoll auf seinem elfenbeinernen Stuhl Platz. Nach außen hin war er ganz der Patrizier Servilius. Fonteius und Fabricius folgten, während Liktoren und Soldaten sich in die erste Reihe rechts und links vom Podium setzten und ihre Speere und fasces zwischen den nackten Knien aufpflanzten.
Das Stück begann, eines der besten und lustigsten Stücke Plautus’ mit köstlichen musikalischen Einlagen. Zwar spielte nur eine Wanderbühne, aber sie war gut. Unter den Schauspielern waren Römer, Latiner und Italiker, nur Griechen fehlten, da die Truppe sich auf lateinische Lustspiele spezialisiert hatte. Das Fest des Picus in Asculum Picentum gehörte zu den alljährlichen Auftritten der Truppe, doch dieses Jahr war die Stimmung anders; der schwelende Haß gegen Rom, der sich jetzt im Publikum Luft machte, war etwas völlig Neues. Die Schauspieler stürzten sich deshalb mit doppeltem Eifer in ihre Rollen, rissen zusätzliche Possen und schnitten neue Grimassen, fest entschlossen, die Picenter noch vor Ende der Aufführung aus ihrer schlechten Laune zu reißen.
Leider waren auch die Schauspieler in zwei Lager gespalten. Während die beiden Römer der Truppe nur für die Römer auf dem Podium zu spielen schienen, konzentrierten sich die latinischen und italischen Schauspieler auf die einheimischen Askulaner. Nach dem Prolog begann die Handlung mit lustigen Wechselreden zwischen den Hauptpersonen und einem schönen Duett, das gegen das Trällern einer Flöte angesungen wurde. Dann folgte das erste Lied, gesungen von einer wunderbaren, hohen Männerstimme zur Begleitung einer Leier. Der Sänger, ein Italiker aus Samnium, war nicht nur wegen der Stimme, sondern auch wegen seiner Fähigkeit berühmt, aus dem Stegreif zu dichten. Jetzt schritt er auf der Bühne nach vorn und sang vor der
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